RuhrGesichter Wir leben in Zeiten, in denen die riesige Veranstaltungswelle, die sich durch die pandemiebedingten Verschiebungen turmhoch aufgetürmt hat, nun allmählich abgearbeitet wird. Im Falle des „Metal Diver“ Festival bedeutet das: Abtauchen in gleich zwei Nachhol - Festivals an zwei aufeinander folgenden Tagen, damit das Klingeln die Ohren gar nicht mehr verlässt. Der seit 2013 bestehende Verein „Metal Diver“ mit der für das Festival verantwortlichen neunköpfigen „Orga of Metal“ hat an beiden Tagen wieder regionale Bands zusammen mit nationalen und internationalen Größen der Szene in das beschauliche Marsberg locken können. Bevor wir jedoch zum musikalischen Teil unseres Berichts kommen, möchten wir den vorbildlichen Shuttlebus Service loben, für viele Fans eine gute Alternative zum eigenen Auto und eine Möglichkeit, sich schonmal warmzufeiern. Da können andere Festivals definitiv etwas von der sauerländer Crew lernen, die auch darüber hinaus ein fantastisches, familiäres, schönes Festival auf die Beine gestellt hat. So, nun aber zum Wesentlichen:

Metal Diver Festival                                                   

Zwei Tage Schwermetall-Tauchen in Marsberg

Der Freitag Nachdem   wir   von   unserem   Vorhaben   abgerückt   sind,   die   Eresburg   in   Marsberg zurückzuerobern,    weil    wir    nicht    rechtzeitig    zum    Festival    pünktlich    mit    dem Schnitzen   einer   neuen   Irminsul   fertig   geworden   sind,   begnügen   wir   uns   vorerst mit   dem   Festivalbesuch.   Nach   dem   erwartbaren   Parkplatzfindegedöns   pilgern   wir durch   den   sauerländer   Frühling   (grau,   kalt,   regnerisch;   oder   wie   Goethe   es   beim Besuch    Marsbergs    formulieren    würde:    Das    Beste    gegen    Sonnenbrand,    sind Festivals    im    Sauerland…)    zur    Schützenhalle    St.    Magnus,    der    mit    Abstand lautesten    Schützenhalle    des    Sauerlandes,    besichtigen    die    Merch    –    Stände, nehmen   entzückt   zur   Kenntnis,   dass   die   Abteilung   Kulinarik   mehr   zu   bieten   hat, als    Bratwurst-Pommes-Bier.    Nachdem    wir    den    Herrn    Genderbeauftragtin    des Festivalempfangskomitees    begrüßt    haben,    freuen    uns    auf    den    Opener    Soul Harvester  aus Salzkotten. Das   ist   die   perfekte   Einstimmung   für   die   Nackenmuskulatur,   denn   die   Band   spielt richtig   schönen,   zeitlosen,   klassischen   Heavy   Metal,   der   Bock   auf   mehr   macht, während   wir   uns   ob   der   doch   recht   knackigen   Hallenbeschallung   (vor   allem   ganz vorn   im   Bühnengraben)   unseren   In-Ear   Gehörschutz   in   die   Lauscher   schieben. Fazit      zu      Soul      Harvester:      Selbst      der      Schutzpatron      der      hiesigen Schützenbruderschaft,   der   heilige   Magnus,   formt   im   siebten   Metalhimmel   die Pommesgabel   und   schüttelt   sein   staubiges   Haupt   im   Taktgewitter,   denn:   Was   die Band hier abliefert, ist einfach zeitlos gut. Als    nächstes    entern    Thomsen    die    Bühne.    Gitarrist    René    Thomsen    hat    als THOMSEN    eine   wilde   Horde   sehr   versierter   Metal   –   Musiker   um   sich   geschart, die   mit   Erfahrung,   Können   und   Spaß   einen   satten   Power-   und   Heavy   Metal   Mix unter    die    Leute    bringen,    dem    Sänger    Jürgen    Wulfes    ein    markantes    Siegel aufdrückt. Auch   Traitor    freuen   sich   über   die   ausverkaufte   Hütte   und   es   wird   an   diesem Abend   erstmals   der   eine   oder   andere   Zacken   in   Sachen   Härte   zugelegt,   dafür sparen   sich   die   Schwaben   -natürlich   wieder   die   Schwaben,   soviel   schwabistisches Vorurteil    muss    sein-    die    eine    oder    andere    Melodie    zugunsten    der    flinken Nähmaschine.   Im   Publikum,   in   das   nun   auch   etwas   mehr   Bewegung   kommt, knacken   die   Halswirbel   im   Takt   und   ein   Hauch   von   den   thrashgeprägten   80er Jahren   in   Altenessen   (verdammt,   sind   wir   alt.   Wo   ist   eigentlich   unser   In-Ear Gehörschutz    im    rechten    Ohr    geblieben,    doch    wohl    nicht    etwa    ins    Kleinhirn geschüttelt?)   donnert   durch   die   Halle;   wo   der   erste   traditionelle   sauerländer Schützenhallen-Pogo   zelebriert   wird.   Es   ist   uns   unerklärlich,   wie   das   Thrash- Kommando Traitor unserer Aufmerksamkeit bislang entgehen konnte. Nach   einer   Umbau-   und   Bierpause   klettert   Legion   of   the   Damned ,   die   Vader im   Line   Up   ersetzen,   auf   die   schon   ordentlich   vorgeheizten   Bühnenbretter.   Was Traitor   herausragend   gut   begonnen   hat,   bringt   die   niederländische   Combo,   die mittlerweile   jederzeit   in   der   Lage   ist,   auch   mal   kurz   Tempo   rauszunehmen   und dennoch   nichts   an   archaischer   Härte   einzubüßen,   zu   einem   Metalmassaker-Ende. Man   merkt   der   Band   die   lange   Erfahrung   auf   Bühnen   rund   um   den   Erdball deutlich   an:   Marsberg   nehmen   die   Mannen   im   Handstreich.   Hätte   Legion   of   the Damned   doch   schon   anlässlich   der   Sachsenkriege   in   Marsberg   vorbeigeschaut, aber    das    ist    eine    andere    Geschichte,    die    vielleicht    auf    den    quersitzenden Gehörschutz   in   unserem   Cerebellum   zurückzuführen   sein   könnte.   Wenn   wir   uns mit    dem    linken    Ohr    Richtung    Beschallung    drehen,    könnte    durch    den    Druck vielleicht   der   Gehörschutz   aus   dem   rechten   Ohr   herausgeschleudert   werden?   Wir werden es beim Auftritt der True-Metal Götter Grave Digger  testen. Die   Headliner   machen   Headliner   –   Sachen:   Sie   krönen   den   Abend   mit   einer   75 minütigen   Show,   in   der   sich   die   Hits   aus   vier   Jahrzehnten   Grave   Digger   stapeln. Der    “Heavy    Metal    Breakdown”    wird    zum    Abriss    in    der    Schützenhalle.    Die Spielfreude   der   Band   reißt   die   Massen   trotz   später   Stunde   mit,   den   Bock   um   und die   Hütte   ab.   Wir   sind   mit   dieser   Band   alt,   weise   und   taub   geworden;   was   für   ein Fest, sie in „unserem“ Sauerland abfeiern zu können. Es   folgt   der   letzte   Akt   eines   außergewöhnlichen   Konzeptes,   bei   dem   auf   den Headliner   eine   weitere   Band   quasi   als   „Rausschmeißer“   folgt.   Vor   dem   Abend stellten    wir    uns    diese    Rolle    etwas    undankbar    vor,    in    einer    bis    auf    die Grundmauern    niedergerockten    Halle    von    müdem    Restpublikum    zu    spielen, während    ein    Teil    der    „Headliner-Gucker“    sich    bereits    Richtung    Kopfkissen aufmacht. Decaptacon    haben   nun   die   Ehre,   deutlich   nach   Verstreichen   der   Geisterstunde eben   diese   doch   recht   zahlreich   verbliebenen   Geister   nochmal   zu   wecken.   Als „Ruhrpott   Geballer“   auf   der   Veranstalter   Website   angekündigt,   müssen   wir   sagen, dass   die   Band   durchaus   neben   dem   Holzhammer   auch   eine   feine   Klinge   führen kann;   vor   allem   die   drei   Gitarristen   sind   nicht   nur   lauter   als   ein   Gitarrist   :), sondern   nutzen   diesen   Feldvorteil   für   mehrstimmige   Harmonien.   Das   ist   richtig gut,   aber   wir   sind   durch   für   heute.   Was   gibt   es   noch   zu   sagen   nach   diesem bemerkenswerten   Freitag?   Wir   haben   aufgegeben,   nach   dem   In-Ear-Gehörschutz zu   fahnden,   auf   die   Gefahr   hin,   dass   wir   ihn   In-Schädel   verloren   haben,   werden wir   morgen   einfach   einen   neuen   In-Ear   nachschieben;   irgendwann   werden   wir das alte Ding dann sicher aus der Nase ziehen können. Die    Rückfahrt    mutierte    zur    „Nacht    auf    dem    kahlen    Berge“,    als    wir    im sturmböengeschüttelten    Fahrzeug    zwischen    Marsberg    und    Brilon    mehrere Stunden   hinter   einer   durch   Blitzeis   und   eisigen   Schneewehen   heimgesuchten Bergkuppe   festhingen,   weil   sich   vor   uns   mehrere   LKW   ineinander   geschoben hatten.   Irgendwann   kamen   die   Ruhrrotznasen   dann   aber   doch   im   heimischen Hauptquartier an. Der Samstag Die    Metalhorden    haben    ausgeschlafen    und    finden    sich    am    frühen    Abend pünktlich    zum    Samstags    -    Opener    M.I.God     unter    dem    Schutz    des    heiligen Magnus     ein.     Die     Sieger     des     „Metal     Masters     2022“     bieten     in     einem markenzeichengewordenen    Outfit,    mit    dem    Sie    auch    bei    der    Marsberger Sparkasse   als   Kundenberater   Karriere   machen   könnten,   einen   rasanten   Genremix und    sind    damit    ein    guter    Start    in    den    Abend,    der    auch    vom    Publikum entsprechend honoriert wird. Nightbearer    hatten   aus   ihrer   Heimat   Paderborn   nur   eine   kurze   Anreise   und spielen Death Metal, der erfreulich aus der Zeit gefallen ist. Ist das teilweise wildes Geprügel? Ja! Ist das trotzdem geil? Ja, auch das! Ist   das   technisch   nicht   immer   Champions   League?   Klar,   aber   dafür   laut,   hart   und schnell immer auf die Zwölf. Das geht auch. Und gefällt’s sehr gut. Den   Schritt   vom   Death-   zum   Thrash   –   Metal   gehen   die   sauerländer   Eradicator , das   ist   erneut   klassisch   Oldschool,   was   sich   hier   durchaus   als   Qualitätssiegel lesen darf. Daumen hoch!   Ehemalige   Sabaton   Mitglieder   kommen   als   Civil   War    ins   schöne   Marsberg   und die   Sabaton   -   Vergangenheit   hört   man   den   Schweden   auch   mehr   als   deutlich   an. Da   werden   Geschichten   von   epischen   Schlachten   erzählt,   musikalisch   von   der Band   durchaus   filigran   in   Metal   gegossen;   starke   Bühnenpräsenz,   fetter   Sound, kluge   Musik   und   das   Gefühl,   dass   man   jeden   Refrain   mitsingen   kann,   bevor   man ihn   das   erste   Mal   gehört   hat.   Und   das   ist   in   diesem   Fall   nicht   so   langweilig,   wie es   sich   anhört,   denn   die   Halle   steht   wie   eine   stolze,   unbesiegte   -an   dieser   Stelle einen   heroischen   Militärvergleich   deiner   Wahl   einfügen,   den   wir   uns   aus   Gründen heute   mal   sparen-.   Allerdings   sind   wir   und   mit   uns   zahlreiche   Civil   War   Freunde sehr   erstaunt,   wie   sehr   sich   Sänger   Kelly   Sundown   seit   dem   letzten   Auftritt verändert   hat   oder   vermuten   wahlweise   irgendeine   Marsberger   Spezialzutat   im Bier,   die   unsere   Augen   täuscht.   Tatsächlich   ist   der   Sänger   der   Band   für   den Auftritt   ausgefallen   und   wird   ersetzt   durch   Theres   Enström,   die   sich   zwar   ob   der kurzen   Vorbereitungszeit   verständlicherweise   sehr   auf   das   iPad   mit   den   Texten konzentriert,   gesanglich   aber   einen   richtig   guten   Job   macht.   Wir   sagen   danke, dass   der   Auftritt   nicht   einfach   abgesagt   wurde   und   stellen   fest,   dass   Theres   ein bauchfreies Outfit einfach besser steht als dem guten Kelly. Zum   Finale   haben   die   Paganfolkmetaller   von   Ensiferum    den   Weg   aus   Finnland zu    uns    gefunden.    Wir    haben    Ensiferum    gefühlt    in    den    über    25    Jahren Bandgeschichte   1001   x   live   gesehen   und   sind   immer   noch   begeistert.   Marsberg singt,   Marsberg   schüttelt   das   Haupthaar,   Marsberg   feiert   den   folkigen   Metal   aus dem Norden. Großartig!   Danach   haben   die   Newcomer   Knife    die   Chance,   die   Fans   zum   Bleiben   und Zuhören   zu   bewegen.   Auch   wenn   einige   Metal   Heads   im   Publikum   der   Meinung sind,    dass    Tieftöner    „Gypsy    Danger“    seinen    Kampfnamen    nochmal    kritisch hinterfragen    sollte    ;),    zumindest    so    lange,    bis    das    erste    Zeichentrick    Video veröffentlicht    wurde.    Spaß    beiseite,    Ernst    herbei:    Mit    wildem,    rohem    Speed Metal,   in   den   sich   gelegentlich   aggressiv   düstere   Klänge   mischen,   ist   das   wirklich amtlich, was Knife abliefern. Festivalfazit :    Das    ist    das    Großartige    an    Festivals:    Man    kann    neue    Bands entdecken   und   die   Bands   können   sich   einem   größeren   Publikum   präsentieren. Die   Orga   hat   einen   richtig   guten   Job   gemacht   und   da,   wo   mal   etwas   hakte, wurde   die   Lücke   mit   mehreren   Hektolitern   Herzblut   zugeschüttet.   Starke   Bands, insgesamt     ordentlicher     Sound,     nahezu     durchgehend     angenehmes,     cooles Publikum,   das   sich   genauso   wie   wir   über   einen   amtlichen   schwermetallenen   Satz heiße   Ohren   freute   und   entspannte   Security.   Großes   Lob   und   hochverdiente   9 von   10   Ruhrgesichter-Festivalpunkte   für   die   Metal   Taucher   aus   Marsberg!   Und den Nachbarn der Schützenhalle wünschen wir gute Erholung.
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