RuhrGesichter Yuen Shan („vollkommener Berg“) ist ein Berg nördlich von der Stadt Taihpe. Auf diesen Berg ist der Komponist Michael Ranta zwischen 1972 und 1975 fast täglich gestiegen um Tai Chi zu praktizieren. Diesem Berg widmete Ranta schließlich dieses außergewöhnliche Werk für Schlagwerk und achtkanaliges Tonband.

Yuen Shan: Lebenszyklen                                                      

Salzlager Zollverein / Ruhrtriennale

Yuen   Shan   ist   eine   vom   Taoismus   inspirierte   Meditation   über   das   Leben   in   vier Teilen   über   insgesamt   rund   100   Minuten.   Die   vier   Teile   des   Werkes   entsprechen den    vier    Abschnitten    des    menschlichen    Lebens    gemäß    einer    Theorie    der indischen   Astrologie.   Unter   dem   Untertitel   „The   Ritual   of   Life“   fächern   sich   Yin- Chu:    Geburt/Kindheit,    Gu-Luan:    Jugend,    I-Shr:    Erwachsenendasein,    Li-Huai: Alter/Abschied    auf.    Ranta    übertrug    diese    Lebensabschnitte    auch    auf    die Entwicklungsstufen unseres Planeten. Das   klang   spannend   und   lockte   uns   Ruhrgesichter   auf   das   Gelände   der   Zeche Zollverein,   wo   Yuen   Shan   im   Rahmen   der   Ruhrtriennale   im   alten   Salzlager   zu Ohren    gebracht    werden    sollte.    Neben    der    bekannt-großartigen    Location    fiel zunächst    die    herausragende    Freundlichkeit    der    zahlreichen    Ruhrtriennale    Mitarbeiter   auf   dem   Gelände   auf,   besonders   aber   die   Damen   am   Einlass   und   an der   Getränke   –   Ausgabe.   Auch   das   ist   nicht   selbstverständlich   und   darf   an   dieser Stelle   einmal   bemerkt   werden.   Am   Einlass   hakte   es   für   einen   kurzen   Augenblick etwas,     als     ein     schlaksiger     älterer     Herr     an     den     Einlass-Damen     einfach vorbeimarschierte   und   es   dann   einen   kleinen   Verständnisknoten   gab,   bis   seine Begleiterin   mit   den   Tickets   herbeieilte   und   mit   viel   Freundlichkeit   von   allen   Seiten nach   kurzer   Zeit   der   Verständnisknoten   entwirrt   war.   Wir   nippten   an   unserem dritten   Kaffee,   beobachteten   das   Geschehen   und   dachten   bei   uns:   „Was   für   eine wunderbar     sympathisch     –     verpeilte     Kunstliebhaberseele.“     Später     beim Schlussapplaus wussten wir: Das war der Komponist Michael Ranta… Im     Salzlager     waren     die     Schlagwerke     im     Zentrum     der     Zuschauerreihen positioniert,   über   den   Zuschauern   erklangen   die   Tonband   –   Aufnahmen   aus   acht Lautsprechern.   Das   Konzert   war   leider   nicht   ausverkauft,   was   für   das   Publikum jedoch    Erfreuliches    bedeutete:    Man    saß    nicht    wie    sonst    üblich    Schinken    an Schinken.   Darüber   hinaus   war   die   Luftqualität   durchgehend   gut   und   der   Raum hatte   die   perfekte   Temperatur,   so   dass   das   sehr   angenehme   bunt   gemischte Publikum     die     perfekten     Voraussetzungen     vorfand,     sich     auf     Yuen     Shan einzulassen. Die      fordernde,      fesselnde      Meditation      überraschte      immer      wieder      mit Soundschnipseln    zwischen    Kloster    und    Mailbox,    die    den    meditativen    Fluss unterbrachen,   aber   nie   zum   Versiegen   brachten.   Die   Musiker   vom   Schlagquartett Köln   (klingt   nach   Hooligans   des   FC,   war   aber   ein   Team   perfekt   aufeinander eingespielter   Musiker)   ließen   das   Publikum   im   Salzlager   der   Zeche   Zollverein   auf dem   Fluss   des   Klangs   durch   einen   Kosmos   aus   Werden   und   Vergehen   treiben. Wer   sich   darauf   einließ,   erfuhr   Stille   durch   Klang   und   konnte   im   Verklingen   die Wiederkehr erahnen. Das   „Versinken   können“   in   Musik   ohne   begleitendes   Brimborium,   Videoinstallation oder    Schauspiel    ist    ein    besonderes    Geschenk.    Wir    Ruhrgesichter    haben    das Konzert   mit   all   den   natürlichen   und   elektronischen   Klangteppichen,   Untiefen   und Erweckungsmomenten    sehr    genossen    und    zollen    allen    Besuchern    größten Respekt,   die   in   der   Lage   sind,   ihre   Handys   stumm   zu   schalten   und   sich   über   100 Minuten     mucksmäuschenstill     zu     verhalten.     Die     Statistik     lehrt     uns,     dass mindestens   4   %   der   Besucher   bereits   in   der   ersten   Konzertstunde   mal   für   kleine Ruhrtriennalisten   müssen.   Dennoch   war   das   Publikum   an   diesem   Abend,   wie auch   bei   den   meisten   anderen   Konzerten   ähnlicher   Art,   unfassbar   diszipliniert. Wir    staunen    jedes    Mal    aufs    Neue,    befürchten    jedoch,    dass    es    sich    um aussterbende Fähigkeiten handelt und hoffen, dass wir uns irren. Als    zertifizierte    Kunstbanausen™    können    wir    es    zugeben:    Auch    wir    hatten Respekt   davor,   100   Minuten   lang   rhythmusbefreites   Schlagwerken   anzuhören   und bereiteten   uns   mit   mehreren   starken   Kaffee   intensiv   vor.   Doch   siehe   da:   Das Konzerterlebnis   geriet   überraschend   kurzweilig.   Auf   einem   Meer   voller   ruhiger Klangwellen     erhoben     sich     immer     wieder     die     weißen     und     dynamischen Wellenkämme    der    diversen    Gongs,    Trommeln    und    anderer    Schlagwerke. Zugegeben,   wie   meist   bei   derlei   Werken   könnten   20   Minuten   ohne   qualitativen Substanzverlust   in   scharfer   Linkskurve   abhandenkommen.   Dennoch   waren   die eineinhalb   Stunden   ein   großer   Genuss   ohne   schmerzenden   Hintern   und   nervöses auf     die     Uhr     schauen;     stattdessen     gelang     es     Michael     Ranta     und     dem Schlagquartett   Köln   uns   auf   eine   ruhige,   aber   fordernde   Reise   in   vier   rituellen Schritten     durch     den     Lebenszyklus     von     der     Geburt     bis     zum     Abschied mitzunehmen. Ein bemerkenswertes, erinnerungswürdiges Konzert.   Mehr zur Ruhrtriennale findet sich hier: https://ruhrtriennale.de/
(c)  Foto: Volker Beushausen
(c)  Fotos: Volker Beushausen