RuhrGesichter „Ich hab‘ dir den Mond gekauft                                         Und morgen schiess ich dich da rauf                               Oder vielleicht sogar bis hinter den Mond                      Denn da hast du ja schon immer gewohnt.“

Christian Steiffen live                                                             

Party mit dem “Gott of Schlager”

Pünktlich   um   19:30   Uhr   schwang   sich   der   „Gott   of   Schlager“   auf   die   Bühne   beim Zeltfestival   Ruhr   am   Kemnader   See   und   rund   5000   Fans   schafften   einen   rasanten Blitzstart   bei   der   Stimmungsbeschleunigung.   Mit   zahlreichen   bunt   blinkenden Lichtern      behangen      und      in      ungemein      kleidsamen      Hawaii-Hemden, Jogginganzügen,    rosa    und    hellblauen    Satin-Rüschenhemden    und    grellbunten Kleidern   waren   die   Christian   Steiffen   –   Fans   auf   dem   Gelände   des   Zeltfestival Ruhr   schon   vor   dem   Konzert   überaus   einfach   von   den   Fans   der   Antilopengang, die im Nachbarzelt zeitgleich die Welt reparierten, zu unterscheiden. Das   Sparkassenzelt   selbst   wurde   dann   zur   Party-Arena,   in   der   schon   vor   dem Auftritt   von   Steiffen   lautstark   nach   Zugaben   verlangt   wurde.   Das   war   auch   für uns neu… Als   sich   die   Bühnenlichter   auf   den   Mann   richteten,   der   im   Rahmen   seiner   „Ich komme!   Open   Air   Tour“   das   Land   von   Freiburg   über   Köln,   Schwerin,   Lüneburg, Kassel,   Bremerhaven,   Heringsdorf   bis   Bochum   und   weiter   nach   Erfurt   mit   seiner sehr    speziellen    Interpretation    von    Schlager    beglückt,    versank    das    Zelt    in extravaganter,   kollektiver   Ausgelassenheit.   Mit   „Wie   gut,   dass   ich   hier   bin“,   „Hier ist    Party“    und    „Ich    hab‘    die    ganze    Nacht    von    mir    geträumt“    startete    die zweieinhalbstündige, ironisch überhöhte Schlagerreise. Seit   sechzehn   Jahren   und   auch   beim   Zeltfestival   mit   dabei:   Der   Vintage-Orgel- Sammler    und    Studiotüftler    Martin    Schmeing    alias    das    „Original    Haseland Orchester“   an   den   Tasten;   er   wagte   sich   mit   der   Keytar   (dass   es   sowas   lustiges seit   den   80ern   noch   gibt…)   an   den   Bühnenrand   und   tanzte   ausgelassen   zu   den Klängen   des   Geigers   So-Kumneth   Sim   bei   „In   Budapest   beim   Schützenfest“,   ein Tausendsassa    halt.    Das    „Original    Haseland    Orchester“    bildet    nicht    nur    das musikalische   Rückgrat   der   Steiffen   –   Show,   sondern   hat   -ganz   nebenbei   erwähnt- auch   herrlich   aus   der   Zeit   gefallene   Songs   veröffentlicht   unter   dem   schönen Albumtitel: „Musik für selbstfahrende Autos“. Reinhören lohnt sich. Mit   „Ein   Glück“,   „Verliebt   Verlobt   Verheiratet   Vertan“   und   „Arbeiter   der   Liebe“   ging es     weiter,     ehe     nach     „Eine     Flasche     Bier“     erst     Steiffen,     dann     seine Backgroundsängerin   Meike   verdeutlichen   durften,   wer   „Die   dicksten   Eier   der Welt“   hat,   um   dann   doch   im   „Selbstmitleid“   zu   schwelgen   („Selbstmitleid   -   das   ist die   schönste   Jahreszeit   /   Viel   schöner   noch   als   Winterdepression   /   Denn   da   hat man nur im Winter was davon…“). Teile   des   Publikums   hatten   größere   Schwierigkeiten   zu   akzeptieren,   dass   bei einem    Konzert    in    Bochum    die    Toiletten    in    Witten    stehen    (das    ZfR    Gelände verläuft    über    die    Stadtgrenze),    sie    zum    schnelleren    Erreichen    der    sanitären Getränkerückgabe   nicht   die   Notausgänge   nutzen   durften   und   dass   die   Not-Türen sich   auch   dann   nicht   öffneten,   wenn   man   beharrlich   ein   Viertelstündchen   auf   den Sicherheitsdienst   einredet   und   unfreundlich   wird.   Keine   Frage:   Der   weite   Weg vom   Sparkassenzelt   zu   den   WC-Containern   ist   suboptimal   gelöst,   das   ist   jedoch ein   Umstand,   der   den   Veranstaltern   bekannt   ist   und   dessen   Verbesserung   auch aus technischen Gründen immer wieder verworfen wurde. Zurück    zum    Konzert:    Musikalisch    glänzen    durfte    der    Saxophonist    Tommy Schneller,   der   ansonsten   als   festes   Mitglied   der   Band   von   Rocklegende   Suzi Quatro durch die Lande reist. Hinter    der    Kunstfigur    Christian    Steiffen    steckt    der    Osnabrücker    Musiker    und Schauspieler   Hardy   Schwetter.   Seine   Laufbahn   ist   ein   Puzzle   aus   Schauspielkunst und   schlagerseliger   Provokation:   Von   1993–1995   trainierte   Schwetter   an   der   Lee Strasberg   Theatre   School   in   New   York,   einem   Mekka   des   Method-Actings,   um sich    später    von    2001    bis    2010    als    Frontmann    einer    Elvis-Tribute-Band    zu etablieren.    Diese    Band    bildete    den    Grundstein    für    seine    erste    Kunstfigur, Reverend   Hardy   Hardon,   mit   der   er   ab   2007   im   Rahmen   des   97.   Deutschen Katholikentags    die    „Church    Of    Elvis“    inszenierte.    2009    gründete    er    seine Schlagerkarriere    unter    dem    Pseudonym    Christian    Steiffen    –    angeblich    eine semantische    Anspielung    auf    das    umgangssprachliche    „Kriegst    ja    ’n    Steifen“, womit   diejenigen   Leser   dieser   Zeilen,   die   von   Christian   Steiffen   noch   nie   etwas gehört   haben,   schon   ein   gewisses   Gefühl   für   die   Ästhetik   und   schöpferische   Kraft der    Werke    von    Christian    Steiffens    musikalischem    und    textlichem    Schaffen bekommen.      Sein   Debütalbum   „Arbeiter   der   Liebe“   erschien   im   Oktober   2013. Darauf   enthalten:   Der   Hit   „Sexualverkehr“,   der   durch   seine   Verwendung   in   einem Eberhofer-Heimatkrimi (Winterkartoffelknödel) zusätzlich Bekanntheit erlangte.   In   Bochum   folgte   auf   „Du   hasst   die   Menschen   einfach   gern“   „Schöne   Menschen“ und   das   starke   Duett   „Du   und   ich“   mit   dem   Mezzosopran   Eva   Schneidereit,   mit der   Steiffen   am   Ende   aller   Zugaben   in   Titanic   Pose   zu   „My   heart   will   go   on“   von Céline    Dion    den    Abend    versenkte,    ähem,    krönte.    Beendete.    Doch    zunächst erzählte   er   dem   interessierten   Publikum:   „Ich   habe   Haschisch   probiert“   und   „Ich hab‘   dir   den   Mond   gekauft“,   gefolgt   von   „Ja   ja   die   Punkmusik“   und   dem   Mary Hopkins Cover „So war es einst mein Freund“. Den   Besucher,   der   neben   uns   den   Pulverfeuerlöscher   unbedingt   mal   ausprobieren wollte, hätten wir und unsere Atemwege jetzt nicht zwingend gebraucht... Auf   der   Bühne   jedenfalls   folgte   „Wie   der   Wind“,   ein   psychedelischer   Country- Song   über   Freiheit,   Verdauung   und   Vergänglichkeit   und   natürlich   „Ich   fühl   mich Disco“. Nach    den    Zugaben    „Sexualverkehr“,    „Champagner    und    Kaviar“,    „Ferien    vom Rock’n Roll“, „Ein Leben lang“ und „Eine Rose“ war es dann vorbei. In   Bochum   zeigte   sich   Christian   Steiffen   als   das,   was   er   ist:   ein   Entertainer   par excellence,   der   Schlager   nicht   nur   spielt,   sondern   erfindet,   zelebriert   und   zugleich aufs   Korn   nimmt.   Fazit   unseres   Rock-   und   Metalredakteurs:   Wenn   Schlager,   dann der „Gott of Schlager“, drunter fangen wir gar nicht erst an.