RuhrGesichter Ursprünglich hat die Turbinenhalle in Oberhausen ein Eisenwerk mit Strom und Druckluft versorgt. Mit dem Niedergang der Stahlindustrie sind die Maschinenrhythmen vor Jahrzehnten verhallt und machten Platz für Druck, Rhythmus und Schwermetall der anderen Art: Im Rahmen der gemeinsamen EUROPEAN CO-HEADLINE TOUR von Beyond the Black und Amaranthe führte der Weg die Ausnahmebands natürlich nicht an Oberhausen vorbei. Als Support mit im Gepäck waren die ebenfalls „female fronted“ Butcher Babies und Ad Infinitum. Wie so oft in diesen Zeiten wurde auch diese Tour aufgrund der Seuche verschoben, umso schöner, dass Konzerte und Live-Erlebnisse wie diese nun wieder möglich sind.

Beyond the Black & Amaranthe                                                   

live in Oberhausen

Die   Symphonic   Metaller   von   Ad   Infinitum    eröffneten   den   Konzertreigen   in   der Oberhausener   Turbinenhalle   1   bereits   früh   im   eher   undankbaren   Zeitfenster   um 18   Uhr   kurz   nach   der   Team   Time   und   schleuderten   ihr   Unstoppable   in   die   Runde. Tatsächlich   lohnte   es   sich,   rechtzeitig   vor   Ort   zu   sein,   was   leider   nicht   alle Metalheads   an   diesem   Abend   bewerkstelligen   konnten   oder   wollten.   Mit   Into   the Night,    Upside    Down,    Somewhere    Better,    Live    Before    you    Die,    Afterlife    und Animals wusste die Band zu begeistern. Die   Schweizerin   Melissa   Bonny   bewies   einmal   mehr,   dass   sie   sowohl   infernale Growls   als   auch   himmlischen   Klargesang   beherrscht.   Je   höher   die   engelsgleichen Töne   in   den   Himmel   flattern,   desto   öfter   stürzt   auch   mal   eine   einzelne   Note   ab, was   im   Gesamtbild   aber   nur   bei   überkritischen   Klugscheißern   zu   einem   Abzug   in der   B-Note   führen   würde.   Die   Mannen   um   die   Frontfrau   pressten   ihren   deftigen Metal   mit   viel   Druck   aus   der   PA   und   in   die   Ohren   der   Fans.   Sowohl   Adrian Thessenvitz,   als   auch   Korbinian   Benedict   und   Niklas   Müller   sind   musikalisch   ganz weit vorne und weit von klassischen „Newcomern“ entfernt. Kompositorisch   ist   das   Schaffen   von   Ad   Infinitum   nun   nicht   das   Innovativste, dass   die   Musikgeschichte   jemals   hervorgebracht   hat,   aber   das   soll   es   wohl   auch nicht   sein.   Technisch   ist   die   Band   eindeutig   Champions   League   und   hat   mehr Aufmerksamkeit    verdient.    Die    Band    hat    ihre    stärksten    Momente    in    den orchestralen   schnellen   Stücken.   Über   das   Einspielen   von   Orchesterparts   vom „Band“   kann   man   (nicht   nur   bei   Ad   Infinitum)   bekanntlich   bei   Live   Konzerten immer   streiten.   Es   ist   in   diesem   Genre   jedoch   allgemein   üblich   und   die   einzige Möglichkeit,   diesen   Sound   vom   Album   auf   die   Bühne   zu   transportieren.   Umso schöner   war   es,   dass   diese   Konservenparts   den   ganzen   Abend   und   bei   allen Bands sehr im angenehmen Rahmen blieben. Die    Ruhrgesichter    wurden    bekanntlich    genötigt,    die    Live-Punkte    Bewertung wieder    einzuführen    und    so    vergeben    wir    deftige    7,666    Live-Punkte    für    Ad Infinitum. Die   Band   Butcher   Babies    aus   Los   Angeles   betraten   pünktlich   um   18:50   Uhr   die Bühne:   Was   wir   sahen   und   was   wir   hörten   war   aggressiver   Midtempo   Metal,   der ebenso     aggressiv     zweistimmig     mit     wütendem     Geschrei     als     hasserfülltes klanggewordenes   Monstrum   über   die   Besucher   der   Turbinenhalle   hinwegfegte. Die   Musik   und   den   Gesang   der   beiden   Frontfrauen   Heidi   und   Carla   kann   man mögen,   muss   man   aber   nicht.   Dementsprechend   klappten   bei   einem   Teil   des Publikums   die   harmonieverwöhnten   „Beyond   the   Black   –   Ohren“   auf   Notaus- Position, ein anderer Teil stürzte sich freudig ins Getümmel vor der Bühne. Der   Vorwurf,   dass   die   Babies   sich   nur   durch   freizügige   Playboy   TV   –   Gedächtnis   - Shows   ihre   treue   Fanbase   erspielt   haben,   lässt   sich   nicht   (mehr)   halten.   Es handelt   sich   bei   den   Butcher   Babies   um   gestandene   Rampensäue   (darf   man   das heutzutage   noch   so   schreiben   oder   droht   uns   nun   eine   Sexismus   –   Anzeige?),   die nicht   nur   viel   Bühnenerfahrung,   sondern   auch   stets   101%   Motivation   mitbringen, die   jeweilige   Location   abzureißen.   So   wurde   gerannt,   gehüpft,   geschüttelt   und gerempelt; kurzum: ein gelungener Gig der etwas härteren Gangart. Das   war   laut,   voller   brutaler   Energie   und   schreiender   Wut,   obschon   insgesamt metallische    Hausmannskost.    Also    wie    püriertes    Eisbein    essen,    während    die Köchin    euch    abwechselnd    heißes    Sauerkraut    ins    Gesicht    wirft    und    euch rhythmisch   mit   dem   Knochen   auf   den   Schädel   schlägt.   Butcher   Babies   halt: Stark,   wenn   auch   mutmaßlich   live   im   Konzert   besser,   als   aus   der   Konserve daheim. Dementsprechend    freuten    wir    uns    an    dem    Auftritt    und    harrten    danach    mit klingelnden   Ohren   der   nächsten   Band,   aber   nicht   ohne   noch   flott   8   Live-Punkte für den unterhaltsamen Auftritt der Butcher Babies da zu lassen. Die   Schweden   Amaranthe    haben   sich   erst   in   diesem   Jahr   von   Sänger   Henrick Englund    Wilhelmsson    getrennt    (oder    er    von    der    Band,    jedenfalls    geht    man getrennter Wege), der für die Growls zuständig war. Elize   Ryd   drückt   jedem   Amaranthe   Song   ihren   stimmlichen   Sopran   -   Stempel   auf und    sie    -wie    das    so    üblich    ist-    prägt    auch    das    Bild    der    Band,    die    Herren umrahmen   sie   auch   auf   der   Bühne.   Der   Tenor   Nils   Molin   „duettiert“   mit   ihr   im Klargesang.     Auch     in     Oberhausen     wurde     die     Band     mit     ihrem     brutalen Schwermetall-Glitzer-Mix   aus   Death-   und   Symphonicmetal,   sowie   teils   seltsam antiquiert   anmutenden   Discosoundausflügen   und   viel   elektronischen   Elementen völlig    zurecht    abgefeiert.    Das    ganze    musikalische    Gemenge    landet    klanglich irgendwo    zwischen    Death,    ABBA    und    König    der    Löwen.    Dass    der    „typische Deathmetalfan“   bei   Amaranthe   möglicherweise   Pickel   am   Innenohr   bekommt, mag   ja   sein.   Dennoch   ist   der   Stilmix   stets   spannend   verrührt,   musikalisch   schön in   Form   gegossen   und   für   den   Feingeist   angemessen   serviert   worden,   so   dass   wir Ruhrgesichter   nun   zwar   nicht   zu   den   größten   Amaranthe   Fans   mutierten,   die jemals   das   Antlitz   dieser   schönen   Welt   bevölkerten,   aber   das   von   der   Band Dargebotene war absolut überzeugend und ein großartiger Auftritt. Bei   der   Spielfreude   musste   der   Funken   einfach   überspringen,   dementsprechend wurde   der   Auftritt   mit   vielbegeistertem   Applaus   belohnt   und   auch   wir   schüttelten unser    schütteres    Haupthaar    (stellt    euch    einfach    Gandalf,    den    Grauen    beim Headbangen   vor),   es   fielen   neben   ein   paar   Bierbechern   auch   ganz   starke   8,5 Live-Punkte für Amaranthe heraus. Beyond   the   Black    lieferten   auf   die   Minute   pünktlich   in   ihrem   Timeslot   ab   21:45 Uhr    exakt    das,    was    man    von    ihnen    erwarten    konnte:    Perfekt    inszenierten melodischen   Symphonic   Metal   „aus   einem   Guss“;   einige   Stücke   des   Albums,   das uns   Anfang   nächsten   Jahres   erfreuen   soll,   wurden   zum   Besten   gegeben   und ansonsten   kramte   die   Band   tief   in   der   Schatzkiste   der   vergangenen   Alben   und förderte   neben   den   „Hits“   wie   „In   the   Shadows“   oder   „Lost   in   Forever“   zahlreiche musikalische     Schmuckstücke     ins     Rampenlicht.     Apropos     Rampenlicht:     Die Bühnengestaltung   war   ausgesprochen   gelungen,   die   Lichtelemente   zauberten   ein passendes   Licht   und   einen   angemessen   Hintergrund   für   die   Musik.   Dazu   schwang Jennifer    Haben    einzelne    Leuchtstäbe    wie    die    stimmgewaltige    Königin    der Fluglotsen, ob beim Opener oder beim neuen Winter is Coming. Dass   Jennifer   Haben   nicht   nur   den   Anspruch   hat,   jeden   Ton   zu   treffen   und   das Publikum   zum   Feiern   zu   animieren,   sondern   darüber   hinaus   unbedingt   bei   jedem Konzert   ihren   gesamten   Kleiderschrank   präsentieren   möchte   und   daran   arbeitet, die   Künstlerin   mit   den   meisten   Kostümwechseln   pro   Auftritt   zu   werden:   Joa; gehört   dazu   und   sieht   prima   aus.   Die   sympathischen   Franken   sind   zwar   bei   vielen „richtigen,   wahren   und   einzigen   Metalheads“   in   der   Kategorie:   „Ist   ja   eigentlich gar   kein   richtiger   Metal“   gelandet,   aber   das   ist   uns   und   den   anderen   Menschen   in der   Halle   reichlich   schnurz:   Und   selbst   wenn   es   gitarrenlastige   Popmusik   sein sollte,   die   sich   nur   hinterhältig   als   Metal   tarnt:   Was   Beyond   the   Black   abliefern, das ist einfach richtig, richtig gut. So   auch   in   Oberhausen:   Perfekte,   eingängige,   dennoch   auch   mal   raue,   aber   nie, nie,   niemals   plumpe   oder   belanglose   Songs   bringen   die   Luft   in   Schwingung   und das   Publikum   in   Bewegung.   Die   überaus   talentierte   und   sympathische   Jennifer Haben   führte   die   Gemeinde   durch   die   Bandgeschichte,   während   die   Band   eine Hymne   nach   der   anderen   ins   Publikum   feuerte.   Das   ist   Musik,   die   eigentlich   für die   großen   Arenen   und   Festivals   dieser   Welt   wie   gemacht   ist:   Besser   geht   so etwas   nicht   und   nachdem   wir   in   der   Pandemie   das   Vergnügen   hatten,   uns   die Band   bei   einem   „Autokinoauftritt“   über   unsere   eigene   Glanz   &   Gloria   Anlage anzuhören,   schätzen   wir   die   spieltechnischen   und   gesanglichen   Fähigkeiten   noch mehr    als    zuvor.    Bei    Dancing    in    the    Dark    gab    es    die    obligatorische,    aber wirkmächtige   Trommeleinlage   von   Jennifer,   Heart   of   the   Hurricane   erwies   sich   als ein    absoluter    Abriss    in    der    Turbinenhalle    und    wurde    zu    Recht    frenetisch abgefeiert.   Wounded   Healer   wurde   auch   live   ein   überaus   gelungenes   Duett   mit Elize Ryd. Während    die    Außendarstellung    der    Band    eher    eine    “One    Woman    Show” vermuten   lässt,   wirkt   und   begeistert   BEYOND   THE   BLACK   auf   der   Bühne   als     homogene      Band.      Unter   anderem   Chris   Hermsdörfer,   der   nicht   nur   mit   seiner Gitarrenarbeit,    sondern    vor    allem    gesanglich    und    mit    seinen    Growls    neben Jennifer        Haben        chronisch        unterbewertet        wird,        hat        viel        mehr      Aufmerksamkeit verdient. Der   Rausschmeißer   an   diesem   Abend   war   um   23:00   Uhr   das   grandiose   Halleluja, der    die    proppenvolle,    ausverkaufte    Halle    ein    letztes    Mal    zum    (Über-)kochen brachte. Wenig   überraschend   haben   sich   Beyond   the   Black   für   diesen   größten   Headliner   Auftritt ihrer Bandgeschichte 9,5 von 10 möglichen Live-Punkten verdient. Fazit:   Musikalisch   und   optisch   wurde   dem   Publikum   ein   anspruchsvoller   und begeisternder    Abend    mit    vier    hochklassigen,    recht    unterschiedlichen    „female fronted“   Bands   geboten,   der   viel   Spaß   gemacht   hat.   Wer   die   Chance   hat,   die Bands live zu sehen: Der Besuch lohnt sich unbedingt.  
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