RuhrGesichter Die Zeche Zollern in Dortmund ist die Kathedrale unter den Bergwerken: 1898 der ganze Stolz der Gelsenkirchener Bergwerks AG. Mit großem begrüntem Ehrenhof, prächtigen Fassaden mit Giebeln und Türmchen zwischen Jugendstil und Historismus und einem gewaltigen Portal zur Jugendstil - Maschinenhalle war Zollern eine der schönsten Schachtanlagen Europas. Seit 1966 ist hier jedoch bereits kein Platz mehr für aktiven Bergbau, ein Abriss kam für das Schmuckkästchen unter den Schachtanlagen jedoch nicht in Frage; bereits 1969 wurde es unter Denkmalschutz gestellt.  Die Dortmunder „Kathedrale der Industriekultur“ war somit der perfekte Rahmen für ein großes Werk der Kirchenmusik, dass aufgrund der traditionellen Liturgie der Ostkirchen auf nicht-kirchliche Konzerte angewiesen ist.

Abendlob und Morgenglanz                                                                

Klangleuchten in der Zeche Zollern

Rachmaninows   "Großes   Abend-   und   Morgenlob",   seine   Vespermusik   Opus   37, beschäftigt   in   den   letzten   Jahrzehnten   zunehmend   die   besten   Chöre   der   Welt.   Im Jahr   1915   von   Sergej   Wassiljewitsch   Rachmaninow   in   kirchenslawischer   Sprache komponiert,   stellt   der   Gesang   hohe   Anforderungen   an   den   Chor,   der   Komponist instrumentierte     einzelne     Solopassagen     und     Stimmgruppen     wie     in     einem Orchesterwerk.   Das   Chorwerk   Ruhr   ist   einer   der   bedeutendsten   Kammerchöre   in Deutschland,   sowohl   in   der   a   capella   Chormusik   als   auch   im   sinfonischen   Fach. Seit   2011   singt   der   Chor   unter   der   künstlerischen   Leitung   von   Florian   Helgath und     brachte     nun     im     Rahmen     der     Ruhrtriennale     die     große     Chormusik Rachmaninows auf die Bühne. Wesentliches   Motiv   der   auf   fünfzehn   Gesänge   bzw.   Stundengebete   aufgeteilten altslawischen   Kirchentexte   ist   das   Mysterium   der   Auferstehung,   das   Zentrum   des christlichen   Glaubens.   Die   Gebete   dieser   Vesper   erstrahlten   in   den   Stimmen   des Chorwerk   Ruhr   in   anmutigem   „Klangleuchten“,   ob   sie   nun   -selten-   einstimmig durch    die    Zeche    Zollern    schwebten    oder    sich    zu    vielstimmigen    Jubelchören erhoben. Das   Ganze   gelang   mit   traumhaftem   Contralto   und   beeindruckenden   Bässen.   Dazu erklang   Tom   Arthurs   Trompetenspiel,   dass   den   Chorgesang   mit   sanftem   Spiel zerteilte,     leuchtend     umwickelte     und     strahlend     neu     verband,     sich     aber dankenswerterweise   auch   zurücknahm,   nie   den   Chor   überlagerte,   sondern   stets verbindendes Element blieb. Gelungen. Der   Chor   verließ   zwischenzeitlich   die   Bühne,   positionierte   sich   neben   und   hinter dem   Publikum   und   nahm   die   Zuhörer   “in   die   Zange”.   Es   folgten   aus   (fast)   allen Richtungen    musikalische    Streicheleinheiten    für    die    Seele    (sofern    noch    nicht anderweitig   verscherbelt).   Schöner   können   menschliche   Stimmen   nicht   klingen. Als Chor perfekte Harmonie und stets auf den Punkt. Atemberaubend. Die   Wirkmacht   des   Werkes   wurde   dezent,   aber   eindrucksvoll   von   der   gelungenen Lichtsetzung in der Halle unterstützt. Ein   großer   Konzertabend   ging   nach   knapp   90   Minuten   mit   Standing   Ovations   zu Ende.   Wir   sind   ohnehin   der   Überzeugung,   dass   kein   Schauspiel   oder   Konzert länger   als   90   Minuten   dauern   sollte.   Leider   haben   weder   Wagner   noch   John   Cage auf   uns   gehört,   Rachmaninow   in   diesem   Fall   schon.   Wenn   es   doch   mal   länger dauert,    sollte    nach    spätestens    90    Minuten    eine    Pause    mit    vom    Dirigenten angeleiteter   Sportgymnastik   mit   dem   Publikum   gesetzlich   vorgeschrieben   sein. Vielleicht kann Karl Lauterbach hierzu mal etwas vorbereiten. Doch schnell zurück zur Vespermusik: Ein   sakrales   Hörerlebnis   und   ein   kraftvolles   Chorereignis,   anknüpfend   an   die russisch-orthodoxe   Kirchenmusiktradition   und   die   Maschinenhalle   mit   spiritueller Tiefe    aufladend,    ohne    in    musikalischen    Weihrauchschwaden    alles    in    einer kitschigen   Pose   verschwimmen   zu   lassen.   Hier   blieb   wenig   nur   angedeutet,   kein mystischer   Nebel   erfüllte   die   Chormusik,   sondern   sehr   große,   konkrete   Klarheit und   fast   greifbare   Pracht   beherrschten   den   weiten   Klangraum   der   Zeche   und erfüllten ihn mit großen melodischen Bögen und russischer Seelentiefe. Herausheben   wollen,   nein,   müssen   wir   das   wunderschön   dargebotene   „Preise den   Herrn,   meine   Seele“   im   zweiten   Gesang,   das   Marienlob   im   sechsten   Gesang: „Mutter   Gottes,   Jungfrau,   freue   dich!   Maria,   voll   der   Gnaden,   der   Herr   ist   mit dir!“,   sowie   das   rhythmische   „Gepriesen   bist   du,   Herr.   Lehre   mich   deine   Gebote.“ im neunten Gesang. Da    hüpfte    auch    das    verdorbene    Herz    des    ungläubigen    Konzertkritikers    kurz Richtung Himmel. Danke dafür an das Chorwerk Ruhr!
© Christian Palm
© Christian Palm
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