RuhrGesichter „Abandon all your hope, all who enter here.                        If you’re not dead and cold, then you’re the enemy.” (Christian Death in ‘The Alpha And The Omega’,              frei nach Dante Alighieri)

Christian Death                                                         

Live im Rockpalast Bochum: Legenden unter sich

Christian   Death   stehen   im   Ruf,   eine   je   nach   Laune   und   Tagesform   manchmal sehr,   sehr   gute,   gelegentlich   aber   auch   mäßige   Live-Band   zu   sein   und   weisen eine   Diskografie   auf,   in   der   Kultscheiben   sich   mit   einigen   wenigen   Vollflops,   aber auch   großartigen   kreativen   Highlights   und   viel   klassischem   Gothic-Death-Rock abwechseln.    Etwas    kann    man    bei    aller    Ambivalenz    Christian    Death    nicht absprechen:   Sie   haben   nie   versucht,   ihrem   eigenen   Schatten   hinterherzulaufen, sondern sind immer pur, sperrig und „echt“ geblieben. Und   so   krochen   die   Tentakel   des   Unvorhersehbaren   bei   unserem   Ruhrgesichter- Ausflug    in    den    legendären    Christian    Death    Live    Kosmos    im    nicht    minder legendären   Rockpalast   in   Bochum   bis   vor   die   Pforten,   wo   bereits   einige   Fans   auf den     Einlass     warteten:     Dort     behauptete     eine     böse     Besucher-Zunge     uns gegenüber,   dass   Christian   Death   zu   Beginn   ihrer   Karriere   zur   rechten   Zeit   am rechten   Ort   waren,   sich   mit   einer   großen   Schüppe   Provokation   einen   Kultstatus erschufen   und   dass   sämtliche   Szenegrößen,   die   von   Christian   Death   beeinflusst wurden   (Celtic   Frost,   Danzig,   Cradle   of   Filth,   Type   O   Negative,   Nine   Inch   Nails, Korn,   Marilyn   Manson…)   das   Vorbild   an   kommerziellem   Erfolg   und   Können   bei weitem   überflügelten.   Natürlich   erfüllten   wir   unsere   journalistische   Pflicht   und fragten   die   Person   mit   der   bösen   Zunge,   ob   die   Band   irgendetwas   gegen   sie   in der    Hand    hätte    (Oma    entführt?)    oder    ob    es    sich    einfach    um    sexuelle Abhängigkeit   handelte,   denn   immerhin   stand   die   Person   mit   einem   Ticket   in   der Hand   vor   dem   Konzerteinlasss.   Die   Antwort   war:   „Weil   das   der   Sound   meiner Jugend   ist   und   Christian   Death   Teil   meines   Lebens   ist.   Das   ist   hier   wie   ein   altes Fotoalbum   durchblättern.   Pure   Nostalgie.“   Na   dann   schlagen   wir   das   nostalgische Album einmal auf: Im   Inneren   des   Rockpalast   versammelten   sich   knapp   200   in   fröhlichem   schwarz gekleidete   Fans   (und   eine   Dame   im   grünen   Kleid),   bevor   mit   einem   dreiviertel Stündchen   Vorfreudeverlängerung/Verspätung   die   Band   die   kleine   Bühne   enterte. Ein   paar   weiße   Stofftücher   umkränzten   den   hinteren   Teil   der   Bühne,   ursprünglich gab   es   wohl   das   Vorhaben   mit   Beamern   Filmchen   darauf   zu   projizieren,   doch   die Beamer    langweilten    sich    den    gesamten    Abend    ungenutzt    im    hintersten Bühneneck.   Vermutlich   war   die   Bühne   einfach   zu   klein   für   den   Einsatz   oder   das für   den   Beamerbetrieb   benötigte   2-Takt-Gemisch   war   ausgegangen.   Doch   wer braucht schon Bewegtbilder, wenn Christian Death sich live die Ehre geben. Verstärkt   durch   einen   versierten   Trommler   und   einen   zusätzlichen   Saitenmann   an Bass   und   Gitarre,   wenn   Maitri   selbst   den   Bass   bediente,   erspielten   sich   Valor   & Maitri   die   Gunst   des   Publikums   auf   ehrlichste   Musiker   –   Art   und   Weise:   Zu   Beginn des   Sets   war   die   Stimmung   im   Auditorium   in   irgendeinem   Zustand   zwischen müde   und   verhalten,   im   Laufe   des   Konzerts   steigerte   sich   die   Begeisterung   zu überzeugtem,   frenetischem   Applaus.   Zu   Recht,   denn   Christian   Death   lieferten über knapp eineinhalb Stunden genau das, was bestellt war. Die   düsteren   Death-Rock   Nummern   mit   dem   bedrohlich   –   dramatischen   Gesang des    Meisters    kamen    einfach    richtig    gut,    Maitri    tat    dem    Sound    mit    ihrem schiebendem    Bassspiel,    ihrem    markanten    Gesang    und    der    umwerfenden Bühnenpräsenz   wirklich   gut.   Das   war   auch   atmosphärisch   großartig,   so   dass   sich ein    postpunkiges,    gothicrockiges    Klangmonster    durch    den    Rockpalast    walzen konnte. Die   1979   gegründeten   Christian   Death   sind   ohne   jeden   Zweifel   völlig   aus   der   Zeit gefallen und das verdeutlichte auch der bemerkenswerte Auftritt in Bochum. „Aus   der   Zeit   gefallen“:   Das   muss   freilich   nicht   schlecht   sein   und   wird   sich   wohl auch    fortsetzen,    die    Band    arbeitet    an    einem    neuen    Album.    Musikalische Weiterentwicklung   sucht   man   im   Hause   Valor   &   Maitri   vergeblich,   die   textlichen Provokationen   gegen   Kirche,   Staat   &   Moral   wirken   mittlerweile   etwas   müde,   aber all   das   interessiert   die   Band   und   Fans   nicht   die   Bohne;   uns   auch   nicht.   Sie   spielen ihren   Stiefel   erfreulicherweise   einfach   so   lange   durch,   bis   Valor   Kand   irgendwann umfällt   und   seinen   Platz   in   der   höllischen   Erbfolge   einnimmt.   Wir   Ruhrgesichter sind    alt    genug,    um    dem    Ganzen    musikalisch    und    atmosphärisch    etwas abgewinnen   zu   können,   kurzum:   Zwischen   Gothic-Rock-Pathos   und   einem   Live Gebaren   (inkl.   der   Anmutung   des   „Bühnenaufbaus“),   das   so   auch   aus   den   80ern hätte    kommen    können,    funkeln    zahlreiche    musikalische    Kleinode    aus    allen Schaffenszeiten   der   Band;   wobei   all   das   zum   Gelingen   des   Gesamtkunstwerkes „Christian Death“ dazugehört. Fazit:    Wir    haben    großes    Verständnis    für    jeden,    der    mit    Christian    Death heutzutage   nichts   (mehr)   anzufangen   weiß,   aber   wir   fanden   das   Konzert   in   der Zeitkapsel    Rockpalast    rundum    unterhaltsam,    gelungen    und    hatten    einen großartigen   Abend.   All   jene,   für   die   sich   ein   Konzert   der   Band   seit   dem   einstigen Streit   zwischen   Valor   Kand   und   Rozz   Williams   und   dem   Suizid   des   letzteren ohnehin    verbietet,    können    und    wollen    wir    an    dieser    Stelle    ohnehin    nicht überzeugen. All   jene   jedoch,   die   Bock   darauf   haben   eine   Stück   Musikgeschichte,   einen   Hauch „Wo-alles-begann“-Nostalgie    oder    einfach    nur    gutgemachten    Death-Rock    zu hören   und   live   zu   erleben,   die   mögen   unserer   Empfehlung   folgen,   sich   Christian Death   live   zu   geben   und   einen   ebenso   tollen   Abend   zu   verbringen   wie   wir   im Rockpalast.