RuhrGesichter Es gibt diese Bands, die einen das Leben lang begleiten, deren Musik ein Teil des Soundtracks des eigenen Lebens wird. Eine solche Band ist Dead Can Dance für mich. Die ureigene Symbiose aus Weltmusik, Rock, Mittelalter und Neo-Klassik, gepaart mit der eindringlichen Stimme Brendan Perrys und dem eindeutig nicht von dieser Welt stammenden Gesang Lisa Gerrards ziehen mich bereits nach wenigen Tönen aus jeder Alltagssituation sofort in eine magische Musikwelt.

DEAD CAN DANCE                                                     

live im RuhrCongress Bochum

Darüber   hinaus   gehört   Dead   Can   Dance   zu   jenen   Projekten,   die   einen   seltsamen Magnetismus   auf   ihre   Zuhörer   ausüben,   so   dass   man   immer   wieder   den   gleichen Satz   von   völlig   unterschiedlichen   Menschen   zu   hören   bekommt:   "Einmal   im   Leben muss man Dead Can Dance live gesehen haben." Um   unter   Beweis   zu   stellen,   dass   es   auch   gefahrlos   möglich   ist,   Lisa   Gerrard, Brendan   Perry   und   ihre   Mitstreiter   mehrmals   im   Leben   live   zu   sehen,   fahren   wir am   Osterabend   inmitten   der   Coronaseuche   in   den   RuhrCongress   zu   Bochum:   Ein bolleriger Funktionsbau ohne Charme, aber mit ordentlicher Akustik. Da   wir   die   Pressefotografie-Rolle   ohnehin   zuhause   gelassen   haben,   um   in   aller Seelen    -    Ruhe    im    musikalischen    Bad    zerschmelzen    zu    können,    sind    weder Verantsaltungsort,   noch   das   dezente,   aber   stimmige   Bühnenbild   mit   einer   großen Leinwand   und   einem   Haufen   Pappblättern   sonderlich   wichtig.   Es   gibt   nun   nichts für   uns   zu   tun:   So   freuen   wir   uns   einfach,   dass   Dead   Can   Dance   uns   in   den letzten   Jahren   mit   Dionysus   ein   wundervolles   Album   geschenkt   haben   und   uns   im Rahmen ihrer Europa - Tournee mal wieder einen Besuch abstatten. Das   Schöne   an   Konzerten   von   alten   Leuten   für   alte   Leute   ist,   dass   sie   pünktlich anfangen.    Auch    an    diesem    Abend    wird    die    Tradition    weiter    geführt,    einem Musiker   aus   der   Band   das   Vorprogramm   zu   überlassen:   Pünktlich   um   20   Uhr betritt   Astrid   Williamson   als   Support   die      Bühne   in   der   ordentlich   gefüllten   großen RuhrCongress   -   Halle.   Williamson   ist   eine   Keyboarderin   der   Dead   Can   Dance Band und bediente die Tasten erstmals bereits im Jahr 2012. Tempus fugit. Als   Dead   Can   Dance   dann   die   Bühne   betreten   und   Lisa   Gerrard   einschwebt   wie eine   Königin   des   Klangs   wird   sofort   deutlich,   was   auch   das   meist   DCD   -   erprobte Publikum    zu    leisten    im    Stande    ist:    Zwischen    lauter    Euphorie    und    absoluter, ergriffener   Stille   liegen   meist   nur   Millisekunden.   Was   natürlich   nicht   bedeutet, dass    es    nicht    den    einen    üblichen    Deppen    gibt,    der    sich    gegen    Ende    des Konzertes   von   der   Stille   provoziert   fühlt   und   den   anderen   Besuchern   klarmachen muss, dass er auch noch da ist... Der    Sound    ist    sehr    gut    und    der    Musik    angemessen,    wenn    auch    nicht herausragend.   Es   mag   an   meinen   eigentlich   seit   Jahrzehnten   metalverkorksten Ohren   liegen,   die   sich   möglicherweise   über   die   pandemiebedingt   erzwungene Konzertabstinenz   unerwartet   regeneriert   haben,   aber:   Das   ist   zu   laut   für   diese ätherische   Musik.   Mag   es   beim   norwegischen   Schwarzmetall   angemessen   sein, dass   es   zwischenzeitlich   schmerzt   und   die   Ohren   bluten,   so   kappt   die   Lautstärke und   die   in   den   Höhen   teils   an   ihre   Grenzen   kommende   Technik   doch   einige Genuss-Spitzen an diesem Festabend in Bochum. Bekannt   von   DCD   ist   bereits   seit   den   ersten   gemeinsamen   Auftritten   in   den frühen   80ern   die   stets   gewahrte   Distanz   zum   Publikum.   Es   ist   nicht   neu,   dass auch   über   die   seltene   und   kurze   Ansprache   direkt   an   die   Zuschauer   keine   Nähe aufkommt;   das   verbindende   Element   bleibt   die   zeitlos   schöne   Musik.   Die   Distanz AUF    der    Bühne    ist    jedoch    ebenfalls    mit    Händen    zu    greifen;    da    gehen herausragend   gute   Musiker   der   Begleitband   und   Perry   und   Gerrard   abends   zur Arbeit,     liefern     einen     umwerfend     schönen     Querschnitt     aus     Jahrzehnten musikalischen   Schaffens,   sind   jedoch   zu   keinem   Zeitpunkt   eine   Einheit,   auch   und vor   allem   Perry   und   Gerrard   nicht.   Prove   me   wrong,   aber   ich   kann   mir   nicht vorstellen,   dass   die   beiden   nach   der   Show   noch   einen   Wein   miteinander   trinken. Das   mag   alles   irgendwie   normal   sein   nach   so   langer   Zusammenarbeit   und   wir sollten   dankbar   sein,   dass   diese   Ausnahmekünstler   uns   überhaupt   noch   mit neuen   Werken   erfreuen,   aber   möglicherweise   ist   es   auch   zu   einem   Teil   dieser spürbaren    Distanz    geschuldet,    dass    der    Darbietung    ein    bisschen    die    Seele früherer Zeiten fehlt. Vielleicht   wächst   allerdings   auch   die   Erwartungshaltung   des   geneigten   Zuhörers ein   wenig   unfair   ins   Übermenschliche,   während   der   Zahn   der   Zeit   auch   an   DCD geknabbert   hat,   obwohl   sie   -und   das   stellen   sie   auch   an   diesem   Abend   erneut unter   Beweis-   die   Toten   noch   immer   tanzen   lassen   können.   Und   das   so,   wie   es   in diesem Genre niemand sonst vermag. Unfair    auch    einige    Bemerkungen    nach    Ende    des    Konzertes    von    einigen (weinigen)   Besuchern   auf   dem   Weg   in   die   Bochumer   Nacht:   Dass   Lisa   Gerrards Körpervolumen   zugenommen   hat   und   sie   nicht   mehr   aussieht,   wie   1985   ist   eine Erkenntnis,    die    wenig    überraschend    ist.    Aber    surprise,    surprise:    auch    die "Kritiker"   sind   optisch   nicht   mehr   die   Menschen,   die   Ende   der   80er   durch   die Bochumer Szenedisko Zwischenfall gehüpft sind. Deal with it. Das   Publikum   wird   im   RuhrCongress   erfreut   mit   einem   Querschnitt   aus   mehr   als drei   Jahrzehnten   musikalischen   Schaffens   mit   einer   erfreulichen   Konzentration auf   DCDs   wagemutigste,   kühnste   und   erfolgreichste   Zeit   zwischen   The   Serpents Egg   und   Into   the   Labyrinth.   Die   Songauswahl   wurde   vom   Publikum   frenetisch gefeiert,   ob   nun   Mesmerism,   In   Power   We   Entrust   The   Love   Advocated,   Avatar, das   grandiose   Cantara,   Black   Sun   oder   Severance   erklangen.   Unser   persönliches Highlight   war   tatsächlich   einer   der   einfachsten   Songs,   der   sich   in   den   Zugaben versteckte: The Wind That Shakes The Barley. Fazit:   Ein   wundervoller   Konzertabend   mit   ein   paar   klitzekleinen   Wehmuttränchen. Mögen    Perry    und    Gerrard    uns    weiterhin    mit    neuen    Alben    und    Auftritten beglücken und die Toten noch lange tanzen lassen.