RuhrGesichter Dynamit, Drama und Westernromantik – ein Erlebnis, das Generationen verbindet: Die Karl May Festspiele im sauerländischen Elspe begeistern in diesem Jahr das durch die fulminanten Inszenierungen der Vorjahre verwöhnte Publikum mit einer Neuauflage von „Winnetou und Old Firehand im Tal des Todes“.

Im Tal des Todes                                                                    

Festspiele Elspe: Faszination Karl May

Dies    gelingt    derart    feurig    und    straff    erzählt,    dass    das    Premierenpublikum buchstäblich   aus   den   Sätteln   ging   und   die   abschließenden   Standing   Ovations   für die   Helden   (und   die   Buh   Rufe   für   die   Finsterlinge;   eine   sehr   besondere   Art   des sauerländischen   Anerkennung   für   eine   großartige   schauspielerische   Leistung)   gar nicht   enden   wollten.   Regisseur   Marco   Kühne   erweckt   die   felsige   Kulisse   des Wilden   Westens   mit   solcher   Wucht   und   Leidenschaft   zum   Leben,   dass   selbst eingefleischte   Festspiel-Veteranen   sich   bei   der   Premiere   wieder   ganz   jung   fühlen dürfen. Die   Produktion   bringt   alles   mit,   was   ein   gelungenes   Freilichtspektakel   braucht: Herz,   Humor,   Pyrotechnik   –   und   ein   durchweg   überzeugendes   Ensemble.   Seit 1958   wird   in   Elspe   der   Mythos   des   edlen   Apachenhäuptlings   Winnetou   gepflegt. Das    aktuelle    Ensemble    beweist    eindrucksvoll,    dass    dieses    kulturelle    Erbe keineswegs    verstaubt    ist.    Jean-Marc    Birkholz    glänzt    mit    seiner    imposanten Präsenz    einmal    mehr    in    der    Rolle    des    Winnetou.    Tim    Forssman    übernimmt diesmal    die    Rolle    des    Old    Firehand.    Er    selbst    war    als    Kind    Besucher    der Festspiele;   nun   steht   er   in   einer   Hauptrolle   auf   der   riesigen,   hundert   Meter breiten   Bühne   und   seine   eigene   fünfjährige   Tochter   darf   Teil   der   Siedlergruppe sein.   Dieses   Detail   ist   kein   PR-Gag,   sondern   Sinnbild   für   das,   was   Elspe   so einzigartig    macht:    Hier    wird    der    Western    zur    generationsübergreifenden Herzensangelegenheit. In   der   Rolle   des   zwielichtigen   Minenbesitzers   Leflor,   der   zu   unkonventionellen Recruitingmaßnahmen   greift,   um   seiner   Mine   geeignetes   Personal   zuzuführen, überzeugt    Martin    Krah    mit    einem    Spiel,    das    irgendwo    zwischen    gefährlich- charmant   und   eiskalt-berechnend   changiert.   Sebastian   Kolb   erweckt   Peteh,   den Häuptling   der   Marikopas   zum   ambivalenten   Leben.   Matthias   Schlüter   ist   erneut ein   umwerfender   Sam   Hawkens;   Oliver   Fleischer   ist   im   zweiten   Jahr   dabei   und spielt   Geronimo,   darüber   hinaus   gibt   es   ein   Wiedersehen   mit   den   wundervollen „Elsper   Instanzen“   Sarah   Gösser   und   Tina   Mester.   Für   die   nötige   Portion   Komik sorgen    einmal    mehr    Markus    Lürick    als    spleeniger    Sir    David    Lindsay    und Przemyslaw    Rozbicki    als    dessen    loyaler    Sidekick    Grissom.    Ihre    Szenen    sind liebevoll überzeichnet, ohne ins Lächerliche abzurutschen. Doch   es   gibt   nicht   nur   witzige   Charaktere   und   herbe   Raufereien,   sondern   die Inszenierung   von   Marco   Kühne,   der   auch   das   Buch   von   Jochen   Bludau   hier   und da    angepasst    hat,    bringt    die    vom    Original    Karl    May    Werk    gelegentlich abweichende     Geschichte     mit     Tempo     und     Spannung     auf     die     weitläufige Naturbühne.   Heimlicher   Star   ist   in   diesem   Jahr   eindeutig   Luke   Messerschmidt   aus Elspe,   Sohn   einer   Mitarbeiterin   der   Personalabteilung   der   Festspiele,   die   auch selbst   als   Indianerin   mitreitet.   Luke   übernimmt   als   Harry,   Sohn   von   Old   Firehand, eine zentrale Rolle – und dies mit bemerkenswerter Sicherheit. Seit    1958    wird    Winnetou    in    Elspe    gespielt    und    unzählige    „Bleichgesichter“ wurden    seither    von    Pfeilen    durchbohrt    und    „Rothäute“    von    ihren    Pferden geschossen;   allein   „Im   Tal   des   Todes“   steht   in   diesem   Jahr   bereits   zum   neunten Mal   auf   dem   Spielplan.   Doch   die   Werke   von   Karl   May   faszinieren   noch   immer. Dies   erklärt,   warum   nicht   nur   die   Festspiele   selbst   ein   Generationenprojekt   sind, sondern   auch   das   Publikum   aus   Menschen   aller   Altersklassen   besteht.   Da   sitzt der   Opa,   der   selbst   als   Kind   in   Elspe   mit   Winnetou   mitfieberte,   mit   den   Familien seiner   Kinder   und   den   Enkeln   im   Zuschauerraum   und   jeder   findet   seinen   eigenen Zugang   zu   diesem   Ausflug   in   den   Wilden   Westen.   Die   einen   freuen   sich   an   den Pferden,   die   anderen   an   der   spannenden   Geschichte,   den   wilden   Faustkämpfen, Schießereien    und    großzügig    bemessenen    Explosionen.    Im    Dorf    Guaymas    im Nordwesten   Mexikos   mit   seinen   Quecksilberminen   wird   nun   einmal   nicht   mit Dynamit gegeizt… Die   Quecksilbermine   im   Stück   gehört   dem   zwielichtigen   Leflor,   der   das   Gebiet vom    Stamm    der    Marikopas    gepachtet    hat    und    seine    Pacht    mit    dreihundert Gewehren   für   die   Indianer   bezahlen   will.   Doch   da   Leflor   die   Arbeiter   für   sein Bergwerk    ausgehen,    kann    er    die    Marikopas    nicht    bezahlen,    die    deshalb kurzerhand    das    Kriegsbeil    ausgraben.    Nachdem    Leflor    auch    den    Käufer    des Quecksilbers   gegen   sich   aufbringt,   da   er   nicht   genug   Quecksilber   liefern   kann, kommt   ihm   die   Kunde   von   einem   Treck   auf   dem   Weg   zur   benachbarten   Mission gerade recht, um die erforderlichen Minenarbeiter zwangsweise zu „rekrutieren“. Nach   Irrungen   und   Wirrungen   kommt   der   große   Auftritt   der   Hotelbesitzern   Elvira (die   zauberhafte   Cheryl   Baulig   spielt   Elvira   überzeugend   und   -das   ist   bei   einer derart   großen   Bühne   mit   viel   Abstand   zum   Publikum   eine   Kunst-   ausgesprochen nuancenreich.   Großartig!),   die   sinistre   Pläne   schmiedet   und   sogar   Winnetou   geht es zwischenzeitlich an den Kragen. Das   ganze   Spektakel   mündet   in   einem   feurigen   Finale   und   natürlich   weiß   jeder im   Publikum,   der   das   fünfte   Lebensjahr   hinter   sich   hat,   dass   dieses   Drama   am Ende   wahrscheinlich   gut   ausgehen   dürfte.   Dennoch   macht   es   zu   jedem   Zeitpunkt Spaß   zuzugucken   und   der   klaren,   aber   detailreichen   Inszenierung   von   Regisseur Marco   Kühne   zu   folgen.   Kühne   beweist   ein   exzellentes   Gespür   für   Tempo   und Raumwirkung.   Die   Geschichte   entfaltet   sich   mit   cineastischer   Wucht:   rasante Reiterszenen,     ein     echter     Zug     und     gewaltige     Explosionen     (da     fiel     eine ausbleibende Zündung bei der Premiere nicht weiter ins Gewicht). Als   im   Sauerland   und   Ruhrgebiet   berüchtigte   Kritiker,   die   in   jeder   Suppe   das   Haar und   überall   eine   Erbse   zu   zählen   finden   müssen   wir   zugeben:   „Winnetou   und   Old Firehand   im   Tal   des   Todes“   ist   von   der   Besetzung   über   die   Inszenierung   bis   zur ansehnlichen   Bühnen-Materialschlacht   rundum   gelungenes   Familientheater   für Klein   und   Groß.   Wir   spendieren   hier   die   Höchstbewertung   von   10   Indianerfedern und   können   einen   „Elspe-Tag“   jedem   Leser   guten   Gewissens   ans   Herz   legen.   „Im Tal   des   Todes“   ist   nicht   nur   eine   nostalgische   Reise   in   die   Welt   von   Karl   May:   Die aktuelle    Inszenierung    in    Elspe    ist    temporeich,    durchdacht    und    mit    großem handwerklichem Aufwand realisiert. Chapeau. Rund   um   die   Aufführung   von   „Im   Tal   des   Todes“   wurde   auch   in   diesem   Jahr wieder    ein    abwechslungsreiches    Rahmenprogramm    zusammengestellt.    Neben einem   Wiedersehen   mit   alten   Bekannten   in   neuen   Rollen   gibt   es   auch   neue Gesichter   in   Elspe   zu   begrüßen.   Auch   die   tschechische   Country-Rock-Band   ist wieder dabei und liefert den perfekten Soundtrack zum Western-Tag. Neu   ist   die   Musikshow   „Rock’n’Roll   Dreams“   mit   Ohrwürmern   zwischen   Dolly Parton   und   Beyonce   und   die   in   diesem   Jahr   runderneuerte   Reitershow   „Girl Power“.   Das   Motto   „Prinzessinnen   richten   ihr   Krönchen.   Königinnen   ziehen   ihr Schwert“   darf   hier   durchaus   wörtlich   genommen   werden:   Atemberaubend   von der Idee in die Rodeoarena hineingezaubert von Sarah Kühne. Die    unverzichtbare    Stuntshow    vereint    erneut    Stuntarbeit    mit    Humor    und funktioniert   mit   stets   abgewandelter   Rahmengeschichte   jedes   Jahr   aufs   Neue. Warum? Weil es einfach gut ist. Störend   bleibt   auch   in   diesem   Jahr,   dass   vor   allem   in   der   Rodeoarena   ein   nicht geringer   Teil   des   Publikums   bei   den   Shows   des   Rahmenprogramms   beim   ersten Schlussapplaus   aufspringt,   um   das   Weite   zu   suchen   und   dadurch   für   viel   Unruhe im   Zuschauerbereich   sorgt   (interessanterweise   sind   die   Kinder   hierbei   nicht   die treibende   Kraft).   Dieser   mangelnde   Respekt   den   Künstlern   gegenüber,   die   teils ihre   letzte   Ansprache   oder   ihre   Ehrenrunde   vor   sich   rasch   leerenden   Rängen drehen   müssen,   ist   sicher   kein   Zeichen   dafür,   dass   es   den   Zuschauern   nicht gefallen   hat.   Wir   Ruhrgesichter   sind   davon   überzeugt:   Ein   kurzer   Hinweis   zu Beginn   der   Show,   dass   die   Shows   so   getaktet   sind,   dass   jeder   Besucher   ohne   zu hetzen   auch   tatsächlich   jede   Show   sehen   kann   und   sich   die   Künstler   am   Ende über   Applaus   freuen,   wird   dieser   Massenabwanderung   ein   schnelles   Ende   setzen, eben   weil   die   Abwanderer   dies   nicht   aus   Respekt-   sondern   aus   Gedankenlosigkeit tun.   Das   ist   nun   jedoch   tatsächlich   das   angedrohte   Haar   in   der   Suppe   und Nörgeln auf höchstem Niveau. Zu   essen   gibt   es   ebenfalls   reichlich   zwischen   Silver   Saloon   und   Mamas   Küche   für verschiedene Geschmäcker und Geldbeutelstärken. Ansonsten   gilt   es   Gold   zu   waschen,   Besucher   können   je   nach   Verfügbarkeit   eine Runde   mit   der   Eisenbahn   drehen,   beim   Bullriding   darf   die   eigene   Sattelfestigkeit unter   Beweis   gestellt   werden   und   eine   Bühnenführung   lohnt   sich   ebenfalls   für alle, die das erste Mal Elspe besuchen. Kurzum: Ein toller Tag im Wilden Westen. Tickets    für    die    53    Vorstellungen    der    aktuellen    Spielzeit    und    alle    weiteren Informationen gibt es unter www.elspe.de