RuhrGesichter Von den dunklen Stollen Recklinghausens bis zur leuchtenden Maschinenhalle in Dorsten – das Revier hat sich einmal mehr selbst gefeiert. Und das völlig zu Recht.

Das war die ExtraSchicht                                                                    

Die Nacht der Industriekultur im Ruhrgebiet

Das   Ruhrgebiet   verwandelte   sich   wieder   in   ein   riesiges   Festivalgelände:   Die   23. Ausgabe   der   ExtraSchicht   –   Nacht   der   Industriekultur   zog   über   150.000   Besucher in   ihren   Bann.   Bei   bestem   Sommerwetter   pendelten   die   Gäste   zwischen   35 Spielorten   in   18   Städten,   um   ein   Programm   zu   erleben,   das   so   vielfältig   war   wie das     Revier     selbst:     Ausstellungen,     Live-Musik,     Akrobatik,     Performances, Lichtinszenierungen   und   spektakuläre   Feuerwerke   ließen   die   Nacht   zu   einem kulturellen Ausnahmezustand werden. Neben   unzähligen   Verkaufsständen   mit   typischem   "Ruhrpott-Kram   &   Krempel" sorgten    kulinarische    Angebote    für    das    leibliche    Wohl.    Zwischen    Currywurst, Streetfood   und   Craftbeer   wurde   geschlemmt   und   gefeiert.   Selbst   eingefleischte ExtraSchicht-Veteranen   konnten   an   diesem   Abend   neue   Orte   entdecken   –   ein Beweis   dafür,   wie   dynamisch   sich   die   Veranstaltung   jedes   Jahr   weiterentwickelt. Es   gab   wieder   neue   Spielorte,   z.B.   die   Kampfbahn   Glückauf.   Hier   begann   das Programm   nicht   wie   an   den   übrigen   Spielorten   um   18   Uhr,   sondern   erst   um 19:04 Uhr. Aus Gründen… Schon   lange   dabei   ist   das   LWL-Museum   Henrichshütte,   wo   die   Besucher   Feuer und   Flamme   waren   für   Stelzenwesen   und   heiße   Feuershows.   Besuchermagneten waren   auch   in   diesem   Jahr   das   UNESCO-Welterbe   Zollverein,   der   Landschaftspark Duisburg-Nord,      das      Deutsche      Bergbau      Museum,      das      LWL-Museum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop und die Zeche Ewald in Herten. Wer   dem   Rat   der   „Ruhrgesichter“   und   anderer   ExtraSchicht-Profis   folgte   und   sich auf    maximal    drei    Spielorte    beschränkte,    konnte    mit    offenen    Augen    und entspannten   Füßen   tief   in   die   Geschichten   der   Locations   eintauchen.   Denn   die ExtraSchicht lebt nicht von Tempo, sondern von Atmosphäre. Diejenigen   Besucher   jedoch,   die   versucht   haben,   möglichst   alles   zu   sehen,   irren noch    heute    hektisch    durch    die    dunklen    Straßen    und    finsteren    Stollen    des Ruhrgebiets und sind auf ewig verloren. Die    Ruhrpott    –    Nacht    der    Nächte    begann    für    uns    in    diesem    Jahr    am Trainingsbergwerk    Recklinghausen .    Dort    lernten    wir    mit    und    von    den Herren   und   der   Dame   vom   „Gruselbergwerk“   das   Fürchten:   In   Zukunft   werden an   besonderen   Tagen   im   Besucherbergwerk   von   diesen   Herrschaften   schaurige Ruhrgebiets-Legenden und mehr zum Besten gegeben. Die   Künstlerin   Renate   Mücher   präsentierte   ihre   von   der   Natur   inspirierten   Werke– frei    von    festen    Regeln,    im    ständigen    Dialog    mit    Material,    Leinwand    und Umgebung. Sehenswert! Auf   der   Bühne   wurde   ein   äußerst   unterhaltsamer   konzertanter   Ausschnitt   aus: Das   RUHRICAL   –   DAS   Ruhrpott   Musical   dem   zahlreichen   und   dem   von   Beginn   an bestens   gelaunten   du   mitsingfreudigen   Publikum   geboten:   Tatsächlich   fiel   am Trainingsbergwerk   auf,   dass   die   zahlreichen   Ehrenamtlichen   und   das   ab   17:30 Uhr    auf    das    Gelände    strömende    Publikum    von    Beginn    an    außerordentlich entspannt   und   umschwirrt   von   kunstvollen   Seifenblasen   stets   zu   einem   Plausch aufgelegt    waren.    Auch    das    PortAL    Formidabel,    Rock    trifft    Bergbau,    Clown Alfonso,   DJ   Detlev   und   die   Künstler   des   GOP-Varieté   sollten   im   weiteren   Verlauf des Abends noch große Auftritte haben. Die   Unter   Tage   -   Führungen   durch   das   Bergwerk   eröffneten   den   Besuchern   eine faszinierende   Welt   unter   Tage;   auch   wenn   es   „nur“   Kurzführungen   waren   an diesem    besonderen    Tag:    Die    authentische    Vermittlung    der    Technik    und Geschichte   rief   bei   vielen   den   Wunsch   hervor,   bald   wiederzukommen   –   diesmal für    eine    ausführlichere    Tour.    Eine    Entscheidung,    die    auch    wir    Ruhrgesichter jedem   Leser   dieser   Zeilen   so   sehr   ans   Herz   legen   wollen,   dass   es   schon   fast   einer Dienstanweisung   gleichkommt:   Besucht   das   spannende   Trainingsbergwerk,   es lohnt sich. Weiter   ging   es   für   uns   ins   beeindruckend   illuminierte   CreativQuartier   Fürst Leopold in Dorsten . Regelmäßige   Führungen   brachten   den   Besuchern   die   Geschichte   des   Ortes   nahe, in   den   Aussenbereichen   wurde   nicht   nur   auf   der   Street-Food-Meile   geschlemmt und   gefeiert,   sondern   es   gab   eine   Feuershow   und   eine   atemberaubende   Einrad- und   Jonglage   Darbietung   von   Janna   Wohlfarth;   die   IG-RuhrPOTTFotografie   zeigte beeindruckende,   kreativ-fotografische   Werke   aus   ihrer   offenen   Gruppe.   Wer   das Ruhrgebiet    mag    und    Fotografie    liebt,    schaue    mal    dort    im    Netz    vorbei    ( ig- ruhrpottfotografie.de ). Neben   der   Außen   Bühne   gab   es   im   Vinylcafe   Schwarzes   Gold   gute,   ehrliche   Live Musik,     in     der     Maschinenhalle     wurde     die     große     Dampfmaschine     unter fachkundiger   Begleitung   und   -Erklärung   in   Bewegung   gesetzt,   mit   Akra   Boa (haben    wir    verpasst)    und    FraPee    (haben    wir    nicht    verpasst;    sehr    coole, entspannte   Musik   in   einem   atemberaubenden   Ambiente)   gab   es   Live   –   Musik   und eine    äußerst    sehenswerte    Fotoausstellung    von    Hans    Blossey    und    Many Szeystecki.   In   der   alten   Kaue   sorgte   die   Balletttänzerin   und   Luftartistin   Birgit   Mühlram   mit ihrer    „leisen“,    anmutigen    Luftartistik    am    Vertikaltuch    und    Luftring    für    einen Moment    der    Ruhe    und    Faszination.    Ihre    Darbietung    wirkte    fast    wie    ein meditativer   Gegenpol   zum   Trubel   vor   der   Halle   –   ein   magischer   Augenblick,   der vielen   Gästen   noch   lange   in   Erinnerung   bleiben   wird.   Das   könnten   wir   uns stundenlang   anschauen,   noch   dazu   an   einem   derart   wundervollen   Ort   wie   der alten Kaue auf Fürst Leopold. In   der   Galerie   der   Traumfänger   folgte   ein   weiterer   Gänsehautmoment   zwischen Live-Musik   und   Theater:   Felice   &   Cortes   Young   entführten   das   Publikum   mit   ihrer poetischen   Show   „The   Little   Giftshop“   in   eine   Welt   aus   Musik,   Theater,   Jonglage und   Zauberei.   Darauf   waren   wir   nicht   vorbereitet:   Eigentlich   wollten   wir   nur   kurz ein   paar   Schnappschüsse   machen   und   dann   zur   Maschinenhalle   weitergehen. Stattdessen   wurden   wir   Zeuge,   wie   das   Duo   erst   die   Bühne   und   dann   mit   einem Wimpernschlag den gesamten Zuschauerraum (für sich) einnahm. Zwischen   Jonglage,   wundervollen   Kompositionen,   starkem   Gesang,   Zauberei   und viel    Poesie    waren    wir    sofort    gefangen.    Dazu    diese    umwerfende,    nahbare Ausstrahlung   und   das   übersprühende   musikalische   Talent.   An   der   Show   „The Little   Giftshop“   ist   kein   Detail   „platt“,   keine   Nummer   „Füllmaterial“,   auch   die ruhigen   Songs   mit   dem   gefühlvollen,   aber   markanten   Gesang   von   Felice   glitten zu   keiner   Zeit   ins   Klischeehafte   ab   oder   steckten   auch   nur   eine   Zehe   vorsichtig   in das verlockende Meer des Kitsches. Bei   all   der   originellen,   wilden   Vielseitigkeit   durchzieht   das   gesamte   Programm   ein Funken   des   gleichen   fein   abgestimmten   Zaubers.   Das   Publikum   und   wir   als Medienvertreter   waren   nach   dem   Auftritt   beseelt   und   vielleicht   ein   bisschen blitzverliebt:    In    Felice,    in    Cortes,    in    die    Papierflieger    und    sogar    in    die Seifenblasen… Sollten   Felice   &   Cortes   und   Birgit   Mühlram   zur   nächsten   ExtraSchicht   erneut   den Weg   ins   Ruhrgebiet   finden   und   gleichzeitig   auftreten,   wird   unser   Fotograf   in   ein nicht aufzulösendes Dilemma geraten… Ein   modernes,   klug   ausgetüfteltes   Höhenfeuerwerk   beendete   unsere   Schicht   auf Fürst   Leopold.   Spät   war   es   geworden   und   so   begaben   wir   uns   nur   noch   zur Jahrhunderthalle   Bochum ,   schauten   uns   die   Installation   „Kinetic   Lights“   in   der Haupthalle   an   und   tauchten   dann   in   der   benachbarten   Turbinenhalle   in   die   Rave- Night   ein,   wo   es   dann   -wie   immer-   entgegen   all   unserer   guten   Vorsätze   wieder etwas später wurde… Die   ExtraSchicht   2025   hat   einmal   mehr   gezeigt,   was   das   Ruhrgebiet   heute   ist: Ein   pulsierender   Lebens-   und   Kulturraum,   in   dem   Vergangenheit   und   Zukunft, Kunst   und   Alltag,   Menschen   und   Maschinen   auf   besondere   Weise   verschmelzen. Manchmal leise, zweifelnd und poetisch. Oft laut, rau und geradeheraus ehrlich. Die   nächste   ExtraSchicht   findet   am   27.   Juni   2026   statt   –   und   wer   einmal   dabei war,   weiß:   Dieses   Datum   gehört   rot   im   Kalender   markiert.   Denn   es   ist   die   Nacht, in der der Ruhrpott leuchtet.