RuhrGesichter „Die Angst ist die Flamme unserer Zeit.                           Und die wird fleißig geschürt.“                                         Aus: „Hexeneinmaleins“ (1978), Konstantin Wecker

Konstantin Wecker                                                              

Poesie und Musik in der Historischen Stadthalle

Konstantin    Wecker    gastierte    im    Rahmen    seiner    Trio    –    Tour    mit    seinen langjährigen     Wegbegleitern     Jo     Barnikel     (Piano)     und     der     Cellistin     Fany Kamerlander   in   einem   der   schönsten   Konzerthäuser   des   Landes,   der   liebevoll restaurierten     Historischen     Stadthalle     Wuppertal     hoch     oben     auf     dem Johannisberg,    die    mit    ihrem    mondänen    wilhelminischen    Charme    auf    eine zauberhafte Art aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Der   große   Saal   war   gut   gefüllt   und   das   größtenteils   mit   dem   Künstler   gereifte Publikum    freute    sich    auf    alte    und    neue    Lieder    des    wortgewaltigen    Barden. Tatsächlich   spielte   und   las   Wecker   einen   großen   Querschnitt   durch   die   vielen Jahrzehnte   seines   musikalischen   und   literarischen   Schaffens,   so   dass   es   ein fulminantes   „Best   of“   Konzert   in   kleiner   Besetzung   wurde.   “Den   Parolen   keine Chance”,    “Wut    und    Zärtlichkeit”,    “Wir    werden    weiter    träumen”    und    “Utopia” waren nur einige Höhepunkte eines an Highlights reichen Abends. Konstantin     Weckers     Gesangsstimme     scheint     nicht     zu     altern     und     seine Bühnenpräsenz   war   routiniert,   aber   nie   lieblos:   Wecker   war   in   Wuppertal   zu   jeder Zeit    100%    bei    seinem    Publikum.    Auch    Fany    Kamerlander    und    Jo    Barnikel bekamen „ihre“ fulminanten musikalischen Momente. Das   aktuelle   Album   „Utopia“   trägt   einen   für   das   Gesamtwirken   Weckers   nahezu programmatischen   Titel:   Die   Texte   Weckers   und   auch   seine   Ansprachen   an   das Publikum   waren   ein   stetes   Ringen   um   eine   gerechte   und   friedliche   Welt   aus   der tiefen   Überzeugung   heraus:   Eine   bessere   Welt   ist   möglich!   So   sang   und   sprach Wecker     auch     in     Wuppertal     an     gegen     Grenzen,     gegen     Kriege     und Waffenlieferungen   an   die   Ukraine,   Imperien,   Ungleichheit   und   warb   für   mehr Solidarität   und   eine   (neue)   Friedensbewegung.   Immer   wieder   brandete   spontan Applaus für seine markanten Botschaften auf. Der    Schreiber    dieser    Zeilen    ist    kein    Pazifist    und    teilt    auch    große    Teile    der politischen   Positionen   und   Einschätzungen   von   Konstantin   Wecker   nicht.   Dennoch und   deshalb   gleichermaßen   freuen   wir   uns,   dass   er   über   sein   künstlerisches Wirken   so   viele   Menschen   mit   der   Überzeugung,   dass   eine   friedliche,   bessere Welt   möglich   ist,   erreichen   konnte   und   kann.   Im   Regelfall   lassen   sich   Werk   und politische   Position   seines   Schöpfers   für   eine   Konzertkritik   wenigstens   annähernd trennen.   Im   Gegensatz   zu   anderen   Kreativen,   ist   der   Künstler   Wecker   jedoch ohne   den   politischen   Menschen   Wecker   undenkbar.   Denn   eines   ist   er   ohne   jeden Zweifel:   Ein   glaubwürdiger   Kämpfer   für   Frieden   und   Gerechtigkeit.   Eine   wichtige Stimme    als    ewiger    Träumer    voller    Zärtlichkeit    und    Wut,    einer    der    klarstellt: „Pazifismus heißt nicht Weicheitum.“ Zudem    ist    er    ein    begnadeter    Vorleser    und    Erzähler,    mit    viel    Humor    und Selbstironie. Kaum jemand schreibt und spricht so musikalisch wie er. Seine    Lieder    sind    oft    hörbar    beeinflusst    von    klassischen    Kompositionen;    oft wütend    und    anklagend,    dann    wieder    versöhnlich    verträumt.    Durch    das wunderschön   klare,   schnörkellos   virtuose   Cellospiel   von   Fany   Kamerlander   wurde die   ohnehin   in   den   Wecker   –   Liedern   stets   vorhandene   Portion   Melancholie zusätzlich    betont.    Und    Jo    Barnikel?    Ist    eine    musikalische    Macht,    die    die musikalische Klammer um den gesamten Konzertabend setzte. Großartig. Wenn   Wecker   nicht   sang,   brachte   er   eindringliche   Anekdoten   und   Geschichten   zu Gehör.   Was   seine   Werke   einzigartig   macht,   ist   die   Fähigkeit   kritische   und   teils harsche   Texte   in   eine   warme   und   versöhnliche   Grundstimmung   einzubetten.   So streute    er    Episoden    aus    seinem    Elternhaus    ein    und    berichtete,    dass    seine „Mama“ ihn für die Poesie und „der Papa“ für die Musik begeisterte. Obwohl    es    musikalisch    und    textlich    so    einfach    gewesen    wäre    in    puren sozialromantischen   Kitsch   abzugleiten,   passierte   ihm   das   bemerkenswerterweise zu   keinem   Zeitpunkt.   Natürlich   gefiel   er   sich   in   der   Pose   des   einsamen   Rufers nach    Freiheit    und    friedlicher    Rebellion.    Das    sei    ihm    nach    50    erfolgreichen Bühnenjahren aber auch gestattet. Am   Ende   dieses   bemerkenswerten   und   erinnerungswürdigen   Konzerts   mit   einer beeindrucken   Länge   von   deutlich   über   zweieinhalb   Stunden   (der   nimmermüde Konstantin   Wecker   ist   75   Jahre   alt   und   mutet   sich   mit   seinen   langen   Tourneen doch    einiges    zu)    gab    es    stehenden    Applaus    in    der    Historischen    Stadthalle. Absolut    verdient.    So    erfreute    Wecker    sein    Publikum    noch    mit    fulminanten Zugaben,   gönnt   sich   ein   Bad   in   der   Menge,   bevor   er   seine   Fans   begeistert   und beseelt     mit     dem     „Schubert     Franzl“     gewidmeten     Tropferl     und     mit     dem abschließenden Buona Notte in die Wuppertaler Nacht entließ. Vielleicht   ging   Weckers   Publikum   nicht   klüger   nach   Hause,   als   es   gekommen   war. Sicher   aber   mit   einem   weiteren   Gefühl   in   der   Brust   und   ein   kleines   bisschen versöhnter mit der Welt.    
„Immer noch werden hexen verbrannt                             Auf den scheitern der ideologie                              Irgendwer ist immer der böse im land                             Und dann kann man als guter und die augen voll sand  Und dann kann man als guter und die                          Augen voll sand in die heiligen kriege ziehn“                  Aus: „Hexeneinmaleins“ (1978), Konstantin Wecker