The Visitors
Virtuoses Tanzstück im Rahmen der Ruhrtriennale
Oberflächlich
betrachtet,
könnte
man
„The
Visitors“
als
einhundertminütigen
tänzerischen
Versuch
beschreiben,
einen
Bogen
von
blutigen
Horror-
und
Slasherfilmen
zur
Gewalt
in
Südafrika
zu
schlagen,
um
dann
kurz
zu
erklären,
dass
das
betroffen
auf
den
Stühlen
hockende
Publikum
(Mit-)Schuld
daran
trägt.
So
weit,
so
zeitgeistig,
so
simpel,
so
infantil.
Bildlich
gesprochen
wird
zielgruppengerecht
ein
großer
Schuldschuh
auf
die
Bühne
getanzt
und
dann
gefragt:
„Wer
möchte
ihn
sich
anziehen?
Irgendwer?“
Damit
könnten
wir
uns
in
Zeiten,
in
denen
Geburtshilfe,
Mathematik,
Apfelkuchen,
Pizza
Hawaii
und
Winnetou
rassistisch
sind
und
der
(alte)
weiße
Mann
am
Elend
der
Weltbevölkerung
und
dem
Untergang
des
Planeten
schuldig
ist,
kopfschüttelnd
von
dem
Stück
abwenden
und
im
Landschaftspark
Duisburg
Nord
lieber
eine
vegane Currywurst essen gehen.
Doch
ganz
so
einfach
ist
es
nicht.
Zum
einen
ist
„The
Visitors“
virtuos
choreografiert,
das
Ensemble
DorkyPark
und
weitere
junge
Tänzer
aus
Südafrika
bringen
mit
viel
Energie
und
großer
theatralischer
Abwechslung
die
Gewaltorgie
mit
Tanz
und
Gesang
auf
die
Bühne.
Wie
so
oft,
ist
auch
dieses
Stück
20
bis
30
Minuten
zu
lang
für
den
dargestellten
Stoff.
Erwachsene
und
Kinder,
Profis
und
Laien:
Dies
alles
ergibt
trotz
ein
paar
tänzerisch-darstellerischer
Fehlerchen
ein
überraschend
stimmiges
Ganzes
und
ist
in
der
abwechslungsreichen,
oft
rauen
Darstellung
Königsklasse
und
begeisternd;
nicht
nur
für
die
jungen
Leute
im
Publikum,
die
nach
dem
Stück
völlig
vom
gesehenen
Tanz
beseelt
sind
und
spätestens jetzt ein weiteres Ziel im Leben haben. Wirklich schön.
Eine
der
Basishypothesen
des
Stücks,
auf
denen
inhaltlich
alles
episodenhaft
aufbaut,
sind
die
Parallelen
zwischen
Slasherfilmen
und
postkolonialen
Strukturen
in
Südafrika,
zum
Beispiel
in
der
strukturellen
Entmenschlichung
der
Opfer.
Das
ist
eine
wilde
Konstruktion,
die
uns
bei
einem
belehrenden
(wortlastigen)
Theaterstück
hinaus
aus
der
Gebläsehalle
des
LaPaDu
in
die
Nacht
zur
Currywurst
getrieben
hätte,
zumal
der
Bogen
von
der
Apartheit
über
die
Ausbeutung
Afrikas
von
der
Kolonialzeit
bis
heute
neben
allgemeiner
Kapitalismuskritik
und
bürokratischem
Irrsinn
so
weit
geschlagen
wird,
dass
er
am Rande ausfranst.
Dies
führt
dazu,
dass
hier
einerseits
auf
einem
Gemeinplatz
der
Schuldzuweisung
herumgetanzt
wird,
zum
anderen
hat
dies
jedoch
den
unbestreitbaren
Vorteil,
dass
der
geneigte
Zuschauer
sich
mit
den
Mosaiksteinchen
beschäftigen
kann,
zu
denen
er
eine
Affinität
besitzt.
Es
liegt
also
im
Eigentlichen
gar
kein
Schuldschuh
auf
der
Bühne,
sondern
ein
ganzer
Berg
davon
in
allen
Formen
und
Farben,
aus
denen
sich
das
Publikum
bedienen
kann
oder
die
es
eben
auch
ablehnen
kann;
beides
erzeugt
neben
dem
darstellerischen
Anspruch
einen
positiven,
verinnerlichenden
Effekt.
Kaum
jemand
im
Publikum
wird
das
Tanztheater
einfach
„wegkonsumieren“,
wie
es
mit
einem
schönen
Chorkonzert
trefflich
gehen
würde.
Deshalb funktioniert und begeistert das Stück von Constanza Macras.
„The
Visitors“
arbeitet
mit
eindrücklichen
Bildern,
Spiegelsplittern
einer
Idee,
die
sich
dann
assoziativ
zusammenfügen.
Dieses
nicht
–
lineare
verwischen,
vorsichtige
Berühren
und
Umkreisen
des
Themas
funktioniert
gut,
auch
und
gerade
im
Kontrast
zu
den
Songs,
den
Chorliedern
und
den
getanzten,
sehr
konkreten Gewaltszenen.
Unser
Highlight
war
definitiv
das
Gesangsduett
von
„Bürokratie“
und
„Korruption“.
Gelegentlich
waren
die
dargestellten
Bilder
unklar
vertanzt,
zumindest
uns
erschlossen
sie
sich
nicht
alle.
Aber
auch
in
diesen
„unscharfen“
Momenten
bestach
die
Choreografie
durch
viele
frische
Ideen
und
lebte
auch
von
der
unbändigen
Energie
der
Tänzer
und
vom
clever
gesetzten
Erzählertext
(umwerfend vorgetragen!).
Die
getanzten
Bilder
zu
den
passenden
Beats
waren
oft
ein
spürbarer
Befreiungskampf,
um
sich
von
den
Monstern
der
Vergangenheit
loszumachen
um
überhaupt
Alternativen
denken,
entwerfen,
tanzen,
träumen
zu
können.
In
der
Mitte
des
Stücks
geben
wir
zu,
dass
uns
die
Lust
am
Zuschauen
etwas
weggetanzt
wurde,
in
den
letzten
20
Minuten
hatte
das
Ensemble
uns
jedoch
wieder
mit
einer
famosen
Zombie-Apokalypse
mit
anschließendem
Schlusschor.
Gelungen!
© Ursula Kaufmann
© Ursula Kaufmann
© Ursula Kaufmann