RuhrGesichter Urbanatix hat als kultureller Fixpunkt einen festen Platz in den Kalendern vieler treuer Fans gefunden und gehört mittlerweile zum Ruhrgebiets-Weihnachten wie die Geschenke unter den Baum. Nach dreizehn Jahren in der Jahrhunderthalle Bochum fand die Sause nun das zweite Jahr in der Grugahalle Essen statt.

Showkritik urbanatix: time to play                                                                    

Street Art & Artistik vom Feinsten

Mehrfach    hörten    wir    auch    in    diesem    Jahr    im    Publikum    die    ausgesprochene Sehnsucht   zurück   zu   „Urbanatix   in   der   Jahrhunderthalle“,   doch   in   der   Gruga   ist es   auch   schön:   Urbanatix   hat   es   in   diesem   Jahr   geschafft,   ein   paar   kleine Raumnutzungsfehlerchen    aus    dem    Vorjahr    nicht    zu    wiederholen    und    die Grugahalle   perfekt   für   die   einzigartige   Street   Art   Show   zu   nutzen.   Statt   des   Stegs aus    dem    Vorjahr    gab    es    diesmal    eine    Vorbühne    und    große    LED-Wände: Zumindest    der    erwachsene    Teil    des    Publikums    (die    zahlreich    anwesenden kleineren   Kinder   hatten   hingegen   Schwierigkeiten,   ausreichend   gut   zu   sehen) hatte   somit   perfekte   Sicht   auf   das   spektakuläre   Geschehen   und   konnte   von   der vielköpfigen   Urbanatix   Crew   mit   der   brandneuen   Show   „time   to   play“   auch   in diesem   Jahr   restlos   begeistert   werden,   ohne   noch   wie   im   Vojahr   Tage   später   mit einem    verrenkten    Hals    herumzulaufen.    Über    zwanzig    Zentimeter    zusätzliche Bühnenhöhe   hätte   sich   dennoch   niemand   beschwert,   um   die   oft   „bodennahen“ Nummern auf der Bühne besser verfolgen zu können. Bei    Urbanatix    trafen    erneut    Street-Artists    aus    dem    Ruhrgebiet    auf    moderne internationale   Weltklasse-Artistik:   Artist   Rémi   Martin   führte   gekonnt   durch   die Show   und   in   die   Fantasiewelt   des   von   ihm   dargestellten   Protagonisten,   der   in seinem   Zimmer   mit   sich   selbst   eine   Party   feiert   und   nicht   erwachsen   werden   will, stattdessen   die   Welt   durch   Kinderaugen   betrachtet,   eine   Welt   voller   Fantasie,   in der    Freerunner    sich    die    Stadt    als    Spielplatz    zurückerobern,    Tänzer    ihren Kindheitshelden nacheifern und Biker ihrem Traum vom Fliegen nachgehen. Die   auf   eine   Pause   verzichtende   rund   einhundertminütige   Mischung   aus   Ruhrpott –   Streetart   von   Parkour   über   Tanz   bis   Biking   und   Top-Artistik   funktionierte   gut und   überraschte   oft,   obwohl   den   zahlreichen   Stammgästen   und   treuen   Fans einige   Show-Elemente   bereits   ähnlich   aus   dem   Vorjahr   bekannt   waren.   Beim musikalischen   Medley   rund   um   den   Klassiker   „Forever   Young“   war   das   Publikum noch   etwas   müde,   wurde   dann   aber   nach   und   nach   von   „Jerry   Trembley“   (aka Maxim      Poulin)      mit      seiner      absurd-komischen      Performance      aus      der Weihnachtsträgheit   gelockt.   Auf   dem   Kunstrad   und   mit   viel   Humor   brachte   der Heavy   Metal   Radler,   der   bereits   2018   beim   „urbanatix:   roadtrip“   dabei   war,   die Gruga schließlich zum Ausrasten. Auch   wieder   dabei   und   stets   weltklasse:   Beatboxer   Robeat,   hierzulande   einer   der besten   seiner   Zunft.   Mit   seiner   dargebotenen   „Radioshow“   zwischen   Modern Talking   und   Pipi   Langstrumpf   macht   er   viel   Spaß   und   spätestens   beim   Erreichen seines   „Mitmach-Channels“   war   auch   der   letzte   im   Zuschauerraum   endgültig feierbereit. Emilia   Dawiec   begeisterte   mehrfach   als   ausdrucksstarke   Aerial   Artistin.   Großartig auch   der   Jongleur   Alonso   Barria,   der   in   einem   Glashaus   jonglierte   und   die   Bälle immer   wieder   gekonnt   zwischen   sich   und   den   Scheiben   einklemmte.   Haben   wir so   auch   noch   nicht   gesehen.   Das   Publikum   ging   erfreulicherweise   nicht   nur   bei den     lauten     und     rasanten     Nummern     des     dramaturgisch     gut     gestalteten Programms   mit,   sondern   blieb   auch   bei   den   leisen,   poetischen   Momenten   vom Bühnengeschehen   gebannt.   Keine   Rolle   für   den   Erfolg   spielte   ein   ärgerlicher,   aber temporärer   und   kleiner   Kamera-   bzw.   Übertragungsausfall   auf   die   LED   Wand,   so dass   Rémi   Martin   kurzfristig   im   Stile   eines   Radioreporters   berichten   musste,   was auf dem Bühnenboden geschah. Die   Performance   von   Lucas   und   Natalia   überraschte   das   Kritikerauge   durch   einen wunderbar   absurden   Humor   und   der   sichtbaren   Beeinflussung   ihrer   Hand   auf Hand    Akrobatik    durch    das    Show-Wrestling.    Fantastisch    und    eines    unserer persönlichen Highlights! Mit   Florian   Zumkehr   kletterte   ebenfalls   ein   „alter   Bekannter“   aus   dem   Vorjahr erneut   auf   die   bedeutungsvollen   Bretter   und   zeigte   ein   neues   Hand   Balance Programm.   Abgerundet   wurde   die   diesjährige   Künstlergarde   durch   die   Tumbling Crew   aus   Dänemark,   die   gemeinsam   mit   der   urbanatix   Parkour-Crew   kreuz   und quer    über    die    Bühne    flogen    und    bei    einem    der    zahlreichen,    vielköpfigen „Wimmelbilder“   auf   der   Bühne   Teil   einer   großartig   inszenierten   Kissenschlacht wurden. Die   erst   siebzehnjährige   Ausnahme   –   Bikerin   Patricia   Druwen   (derzeit   die   beste Mountainbike-Slopestylerin   der   Welt)   fiel   leider   krankheitsbedingt   im   urbanatix Bike-Team   aus.   Der   Auftritt   der   fliegenden   Bikes   unter   der   Leitung   von   Gordon Brown    war    jedoch    auch    so    einfach    atemberaubend,    soviel    können    wir Ruhrgesichter als cyclophobe Bewegungslegastheniker versichern. Auch   die   Tänzerinnen   und   Tänzer   überzeugten   mit   einer   grandios   umgesetzten, formidablen   Choreographie   von   Natalia   Nowakowski   vor   passenden   Visuals   auf den   LED   Wänden.   Der   Resonanz   nach   zu   urteilen,   wäre   das   Publikum   bereit gewesen,    sich    das    qualitativ    in    jeder    Hinsicht    überzeugende,    dynamische tänzerische    Bühnentreiben    noch    sehr    viel    länger    anzuschauen.    Ebenfalls überzeugend:   Die   Live   Band   rund   um   den   Gitarristen   und   Sänger   Dennis   Brzoska und   die   stimmgewaltige   Tänzerin   und   Sängerin   LauRa   (Laura   Cammalleri),   die mit   ihrem   variablen,   ausdrucksstarken   Gesang   auch   abseits   von   Urbanatix   ihren Weg machen wird. Bei   dem   Crossover   urbaner   Street-Art   wirkten   insgesamt   über   fünfzig   Personen als    Teil    des    Ensembles    in    Tanz,    Parkour,    Artistik,    Livemusik,    Biken    und hinterließen    ein    restlos    begeistertes    Publikum.    Sie    ernteten    lange    Standing Ovations.   Als   bucklige   Kritiker   und   notorische   Nörgler   haben   wir   Ruhrgesichter verzweifelt   nach   echten   Schwachpunkten   in   der   Show   gesucht:   Wir   haben   jedoch keine   gefunden   und   müssten   uns   mit   unserer   Missbilligung   an   den   Klassenfahrt- Gedächtnis-Billig-Frikadellen   in   der   Gastro   im   Eingangsbereich   austoben,   das   will jedoch sicher niemand lesen… Großes   Lob   an   das   Kreativteam   rund   um   den   Urbanatix   Initiator   und   Regisseur Christian    Eggert,    der    das    Projekt    2010    gründete    (und    an    den    Frikadellen sicherlich   unschuldig   ist),   sowie   an   das   gesamte   Ensemble:   Urbanatix   hat   auch nach   so   vielen   Jahren   eine   ganz   eigene,   besondere   Atmosphäre,   die   erneut niemanden   in   der   Grugahalle   kalt   gelassen   hat.   Der   Urbanatix   -   Besuch   ist unbedingt empfehlenswert und aus der Kategorie: „Muss man gesehen haben“. Alle aktuellen Infos und Tickets finden sich unter www.urbanatix.de  
© Foto: Eva Berten
© Fotos: Eva Berten
© Fotos: Eva Berten
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