RuhrGesichter Jean-Marc Birkholz wuchs in Berlin auf, studierte dort von 1996 bis 1999 Schauspiel und widmete sich zunächst dem Theater.  Bereits 2001 wurde er erstmals an der Felsenbühne Rathen als Winnetou besetzt und spielte dort bis 2006, bevor er 2008 bei den Karl-May-Festspielen in Elspe verpflichtet wurde. Dort war er unter anderem als Old Firehand und Old Shatterhand zu sehen, bevor er 2012 wieder als Winnetou auf der Bühne stand.

INTERVIEW mit WINNETOU 

Jean-Marc Birkholz über Cultural Appropriation,

Muskelkater und das Sauerland

Darüber   hinaus   spielte   er   in   diversen   TV-   und   Kinoproduktionen   von   „Polizeiruf   110“   über „SOKO   Leipzig“   bis   „SNIPER   –   Offizier   Smersh“.   Von   2005   bis   2007   war   er   der   Fotograf Marc   Trojan   in   der   Telenovela   „Verliebt   in   Berlin“.   2009   erhielt   er   eine   Hauptrolle   im russischen   Kinofilm   „Connected   by   Time“   und   wurde   seitdem   regelmäßig   für   russische Produktionen   besetzt.   Er   ist   als   Sprecher   bei   diversen   Karl-May-Hörspielen   zu   hören,   ist   die Stimme   des   Carlos   in   der   Serie   „Prinzessin   Lillifee“,   spricht   und   singt   den   „Ritter   Rost“.   Im Wilden    Westen    des    Sauerlandes,    den    Karl-May-Festspielen    in    Elspe,    reitet    Jean-Marc Birkholz Jahr für Jahr als Winnetou über die größte Freilichtbühne Europas. Karl   May   veröffentlichte   seinen   Welterfolg   „Winnetou“   bereits   im   Jahr   1893,   doch   auch heute   ist   die   Faszination   ungebrochen;   so   besuchen   in   jeder   Saison   rund   220.000   Besucher die Festspiele. Auch   wir   Ruhrgesichter   streiften   in   diesem   Sommer   durch   die   Westernstadt   in   Elspe, besuchten   das   lohnende   Rahmenprogramm   mit   Stunt-,   Tier-   und   Musikshows,   nur   um schlussendlich   an   der   Hauptbühne   begeistert   unseren   Cowboyhut   zu   ziehen   vor   Winnetou, Old   Shatterhand   und   all   den   anderen   Helden   und   Schurken.   Grund   genug   Winnetou, respektive Jean-Marc Birkholz zum Interview zu bitten. Ruhrgesichter:    Bereits   sehr   früh   in   der   Karriere   standen   Sie   als   Winnetou   auf   der Bühne,   zunächst   in   Rathen,   schließlich   in   Elspe.   Auch   in   diversen   Hörspielproduktionen   und auf   Lesereisen   bleiben   Sie   den   Werken   von   Karl   May   treu.   War   das   ein   lang   gehegter Kindheitstraum oder ein Engagement wie jedes andere? Jean-Marc   Birkholz:    Ich   habe   nie   davon   geträumt,   Winnetou   zu   spielen.   Ich   wurde damals   gefragt,   ob   ich   das   spielen   würde   und   ich   habe   „Ja“   gesagt.   Dennoch   war   schnell klar, dass es kein Engagement wie jedes andere war. Winnetou ist mehr. Ruhrgesichter:    Sie   stehen   Jahr   für   Jahr   als   Winnetou   auf   der   Naturbühne   in   Elspe: Wie   groß   ist   die   Gefahr,   dass   beim   Publikum   und   innerhalb   der   Branche   der   Name   Jean- Marc   Birkholz   so   fest   mit   Winnetou   verbunden   wird,   dass   es   kaum   ein   Entrinnen   aus   der Rolle    des    Apachenhäuptlings    gibt?    Wirkt    die    Festlegung    auf    eine    Rolle    nicht    als Karrierestopper für andere Produktionen? Jean-Marc   Birkholz:    Nein,   die   Gefahr   habe   ich   noch   nie   gesehen.   Jedoch   werden die   meisten   Produktionen   im   Sommer   gedreht.   In   der   Festspielsaison.   Am   Anfang   habe   ich einige   Projekte   absagen   müssen.   Heute   werde   ich   nicht   mehr   gefragt.   Denn   es   ist   klar,   dass ich    drei    Monate    nicht    für    andere    Projekte    zur    Verfügung    stehe.    Ich    könnte    ja    auch aufhören. Dafür macht es mir aber zu viel Spaß. Ruhrgesichter:    Wie   ist   ein   spielzeitenübergreifendes   Dauerengagement   wie   in   Elspe zeitlich mit anderen Projekten zu vereinbaren? Jean-Marc   Birkholz:    Es   lässt   kaum   etwas   anderes   zu.   Ab   und   an   wird   mal   eine Lesung oder ein Sprecherjob eingeschoben. Für mehr reicht die Zeit einfach nicht. Ruhrgesichter:    Die   Rolle   der   kleinen   Susan   ist   in   Winnetou   III   doppelt   besetzt.   Gibt es   auch   für   Ihre   Rolle   eine   Zweitbesetzung   oder   müssen   Sie   auch   mit   einer   fiesen   Grippe durch den Regen reiten? Jean-Marc    Birkholz:     Es    gibt    keine    Zweitbesetzung.    Ob    Grippe,    Bänder-    oder Muskelriss, ich habe bisher immer weitergespielt. Ruhrgesichter:    Karl   May   durchzieht   Ihre   gesamte   Karriere:   Haben   Sie   nie   mal   Lust gehabt,   dem   Wilden   Westen   den   Rücken   zuzudrehen,   die   Indianerfeder   an   den   Nagel   zu hängen und zu Hamlet, Faust und Co. zu wechseln?  Jean-Marc   Birkholz:    Es   sind   ja   nur   drei   Monate   im   Sommer.   Den   Rest   des   Jahres spiele   ich   ja   andere   Rollen.   Die   meisten   haben   mit   „Winnetou“   kaum   etwas   zu   tun.   Ich freue mich aber auch jedes Mal wieder auf den „Wilden Westen“. Ruhrgesichter:    Ist   Winnetou   ein   Teil   Ihrer   Persönlichkeit   geworden?   Vielleicht   sogar in manchen Situationen ein Vorbild? Jean-Marc    Birkholz:     Ein    bisschen    Jean-Marc    ist    in    meinem    Winnetou.    Die Persönlichkeit   wird   durch   das   Leben   geformt.   Da   Winnetou   darin   seit   2001   eine   Rolle   spielt, hat er bestimmt auch seinen Anteil daran. Ruhrgesichter:    Winnetou   ist   ein   in   Deutschland   anerkannter   Männervorname,   den derzeit ein paar Dutzend Deutsche tragen. Ein Fluch oder ein Segen für ein Kind? Jean-Marc    Birkholz:    Es   steht   mir   nicht   zu,   das   zu   beurteilen.   Carl   Zuckmayer nannte   auch   seine   Tochter   „Winnetou“   mit   zweitem   Namen.   Ich   kenne   einen   Zahnarzt   in Berlin,   der   mit   erstem   Namen   so   heißt.   Den   habe   ich   schon   kennengelernt.   Ein   netter Mann. Ruhrgesichter:    Warum   ist   Winnetou   einfach   cooler   als   Old   Shatterhand?   Sie   haben beide Charaktere gespielt, Sie müssen es also wissen. Jean-Marc   Birkholz:    Cooler,   im   Sinne   von   lässig,   ist   eigentlich   Old   Shatterhand.   Da ist   mehr   Spielraum   und   mehr   Witz.   Winnetou   ist   unnahbarer,   majestätischer.   Die   Coolness bei   Winnetou   besteht   darin   durch   minimalstes   Spiel   maximales   auszudrücken,   ohne   dabei viele Worte zu verlieren. Ruhrgesichter:    Was   war   die   witzigste   oder   dramatischste   Bühnenpanne,   die   Sie erlebt haben? Jean-Marc   Birkholz:   Am   witzigsten   war,   wie   einem   meiner   Kollegen   die   Stimme versagte.   Auch   wenn   das   eigentlich   nicht   witzig   ist.   Er   sollte   mich   eigentlich   bedrohen, räusperte   sich   dann   und   sprach   mit   einer   Micky-Maus-Stimme   weiter.   Er   hat   wirklich   alles versucht   und   räusperte   sich   immer   wieder,   aber   es   kam   nicht   mehr   als   Micky-Maus.   Dann ging   er   spielerisch,   schimpfend   von   der   Bühne   ab   und   hinterließ   Kollegen,   die   nicht   mehr wussten,   wohin   sie   sich   drehen   sollten,   damit   man   die   lachenden,   tränenden   Gesichter nicht sieht. Am   dramatischsten   war   wohl   bisher   ein   Bänderriss   im   Sprunggelenk,   den   ich   mir   nach   der Pause   einer   Vorstellung   zuzog.   Ich   hatte   noch   einen   Kampf   und   jede   Menge   Text.   Mein   Bein war    um    das    Doppelte    angeschwollen.    Nach    dem    Applausritt    bin    ich    im    Kostüm    ins Krankenhaus gefahren. Ruhrgesichter:    Es   gehört   zu   Ihrem   Beruf,   dass   die   eigenen   Befindlichkeiten   hinter der   Rolle   unsichtbar   werden   und   dem   Publikum   nicht   auffällt,   ob   es   dem   Schauspieler   gut oder schlecht geht. Dennoch: Wie schwer fällt das manchmal in der Praxis? Jean-Marc    Birkholz:     Auf    der    Bühne    verschwinden    alle    meine    Gedanken    und Befindlichkeiten   als   Jean-Marc   hinter   der   Rolle.   Traurig   oder   fröhlich   kann   ich   danach wieder sein. Ruhrgesichter:    Seit   1978   scheibt   Jochen   Bludau   die   Dramatisierungen   der   Karl   May Bücher   für   die   Elsper   Bühne,   die   teilweise   deutlich   von   den   Original   Büchern   abweichen. Sorgt   das   gelegentlich   auch   für   Kritik   oder   trennen   Publikum   und   Kritik   zwischen   Original und Bühnenadaption? Jean-Marc    Birkholz:     Der    Großteil    des    Publikums    kann    das    trennen.    Manchmal kommen   Zuschauer   und   sagen,   was   alles   nicht   original   ist.   Im   Gespräch   kommt   dann   raus, dass    sie    von    den    Filmen    reden,    die    ja    auch    sehr    frei    nach    Karl    May    waren.    Die Bearbeitungen hier sind an die Bühnenmöglichkeiten in Elspe angepasst. Ruhrgesichter:     Eine    rund    einhundert    Meter    breite    Naturbühne    stellt    große Ansprüche    an    Schauspieler    und    Pferde.    Wird    das    Gelände    von    neuen    Darstellern    oft unterschätzt? Jean-Marc     Birkholz:      Ja,     manchmal     schon.     Muskelkater     nach     den     ersten Probentagen   ist   jedem   sicher.   Und   seinen   nächsten   Auftritt   nicht   zu   verpassen,   ist   am Anfang   gar   nicht   so   leicht.   Einmal   mit   dem   Pferd   auf   den   Wegen   hinter   der   Bühne   falsch abgebogen,   hat   man   kaum   noch   eine   Chance,   pünktlich   zur   nächsten   Szene   zu   erscheinen. Denn die Wege hinter der Bühne sind ja noch länger. Ruhrgesichter:    Knapp   eine   Viertelmillion   Besucher   sehen   Sie   Jahr   für   Jahr   in   Elspe: Ist   der   Wandel   von   Jean-Marc   Birkholz   zu   Winnetou   in   der   Maske   zu   stark   oder   werden   Sie auch im Alltag als Winnetou erkannt? Jean-Marc   Birkholz:    Nein,   nein.   Das   erkennt   kaum   jemand,   der   nicht   weiß,   wie   ich in echt aussehe. Ruhrgesichter:    Ein   Nonsensvers   von   Robert   Gernhardt   lautet:   ‚Paulus   schrieb   an   de Apachen:   „Ihr   sollt   nicht   nach   der   Predigt   klatschen.“‘   Wenn   Winnetou   auf   der   Bühne erscheint,   klatschen   zwar   nicht   die   Apachen,   aber   das   Publikum:   Was   waren   die   lustigsten oder seltsamsten Publikumsreaktionen, an die Sie sich erinnern? Jean-Marc   Birkholz:    Ich   habe   eine   sehr   viel   jüngere   Schwester.   Als   sie   mit   fünf Jahren    in    einer    meiner    Vorstellungen    saß,    waren    viele    Fans    um    sie    herum,    die    mir „Winnetou    -    mein    Bruder“    zuriefen.    Sie    wurde    zunehmend    wütender    darüber    und irgendwann   platzte   es   aus   ihr   heraus:   Das   ist   MEIN   Bruder!   Alle   lachten.   Aber   wohl   nur   ich verstand,   was   sie   meinte.   Und   im   diesjährigen   Stück   werde   ich   vom   Oberschurken   Doc Plummer   mit   der   Waffe   bedroht,   nachdem   er   den   Apachen   Red   Mangas   erschoss.   Alles   war still   im   Publikum.   Nur   ein   kleiner   Junge   konnte   die   Ungerechtigkeiten   nicht   ertragen   und rief Doc Plummer zu: „Du bist ein gemeines A....loch!“ Das Publikum lachte. Ruhrgesichter:    Stets,   wenn   Winnetou   sich   in   Elspe   auf   der   Bühne   sehen   lässt, brandet   Applaus   auf.   Haben   Sie   gelegentlich   Mitleid   mit   Ihrem   „Mörder“,   wenn   er   noch beim    Schlussapplaus    die    volle    Breitseite    der    (spielerischen)    Abneigung    des    Publikums abbekommt? Jean-Marc   Birkholz:    Manchmal   ist   es   wirklich   hart   für   unsere   Bösewichte.   Aber   es gehört ja auch zu Elspe dazu. Und je stärker die „Buhs“ umso besser der Schurke. Ruhrgesichter:    Welche   Rollen   im   Theater,   TV   oder   im   Kino   waren   neben   Winnetou die prägendsten für Ihre Karriere? Jean-Marc   Birkholz:    Das   war   wohl   die   Rolle   in   „Connected   by   Time“,   einem   Film von   2009.   Seit   diesem   Film   drehe   ich   sehr   oft   im   russischsprachigen   Raum.   Es   sind   schöne Filme   seitdem   entstanden   und   ich   habe   sehr   gute   Regisseure   kennengelernt.   Und   nicht   zu vergessen, auch meine Frau. Ruhrgesichter:  Wie kam diese „Russland-Connection“ zustande? Jean-Marc   Birkholz:    Ich   spielte   gerade   den   „Kleinen   Bären“   in   Elspe,   als   ich   einen Anruf   meiner   Agentin   erhielt.   Sie   sagte   mir,   dass   mich   eine   russische   Produktion   gerne   für die   Hauptrolle   in   eben   jenem   Film   engagieren   möchte.   Ich   weiß   bis   heute   nicht,   wie   sie   auf mich kamen. Aber ich bin dankbar dafür. Ruhrgesichter:    Derzeit   ist   „Cultural   Appropriation“   ein   Dauerthema:   Beleidigt   Ihre Kleidung   native   Ureinwohner   Amerikas   bzw.   hat   sich   bei   Ihnen   persönlich   schon   jemand darüber beschwert? Jean-Marc   Birkholz:    Es   gab   noch   nicht   einen   einzigen   Zuschauer   seit   2001,   der   sich bei   mir   darüber   beschwert   hat.   Ohne   Karl   May   gäbe   es   dieses   gesteigerte   Interesse   an   der Kultur   der   Ureinwohner   Amerikas   wahrscheinlich   gar   nicht.   Auch   wenn   es   traurig   ist.   Aber Karl   May   brachte   die   Natives   viel   mehr   in   unser   Bewusstsein,   als   es   irgendein   Professor bisher geschafft hat. So ehrlich muss man sein. Ruhrgesichter:    Wenn   Sie   als   „Winnetou“   aus   der   Maske   kommen,   dann   tragen   Sie die   Symbole   einer   anderen   Kultur.   Können   Sie   Menschen   verstehen,   die   Ihnen   vorwerfen könnten:   „Die   Rolle   als   Winnetou   ist   nicht   Ausdruck   des   respektvollen   Interesses   an   einer fremden   Kultur   und   auch   nicht   reine   Phantasie,   denn   es   geht   ja   nicht   um   einen   rosa Außerirdischen,   sondern   um   einen   Mescalero-Apachen,   also   ein   prominentes   Mitglied   einer klar   definierten   Gruppe:   Daher   handelt   es   sich   um   eine   rücksichtslose   Bemächtigung   der Symbole einer unterdrückten Kultur.“? Jean-Marc   Birkholz:    Ich   respektiere   es,   kann   es   aber   nicht   verstehen.   Winnetou steht   für   den   Frieden   unter   den   Menschen,   unabhängig   von   deren   Kultur   und   Religion.   Er ist   das   Aushängeschild   für   Respekt.   Der   Verkünder   einer   idealen   Welt.   Er   ist   und   bleibt   eine Märchenfigur.   Ich   mag   diese   „Sich   über   alles   beschweren   -   Kultur“   nicht.   Wenn   man   nicht fähig ist, in den Dingen das Gute zu erkennen, ist man ein armer Mensch. Ruhrgesichter:    Der   Schauspieler   Pierre   Brice   äußerte   selbst   den   Anspruch,   dafür   zu sorgen,   dass   die   Figur   des   Winnetou   „authentischer“   wird,   sei   es   durch   das   Kostüm   oder auch    in    der    Handlung.    Was    halten    Sie    von    dem    Anspruch,    eine    fiktive    Romanfigur „authentischer“ zu machen? Jean-Marc   Birkholz:    Pierre   wollte   das   Interesse   an   den   Ureinwohnern   Amerikas (um   das   Wort   Indianer   nicht   zu   gebrauchen)   einfach   noch   stärker   ins   Bewusstsein   bringen. Es   war   seine   Verpflichtung.   Auch   das   verdient   Respekt.   Er   konnte   das   als   Marke   „Pierre Brice“ auch tun. Ruhrgesichter:    Wenn   wir   heute   die   Bezeichnung   „Apache“   hören,   so   denken   die meisten   Menschen   an   den   edlen   Häuptling   der   Indianer,   nicht   aber   an   Landnahme   durch die   Siedler   und   an   grausame   Apachenkriege   bis   ins   letzte   Jahrhundert   hinein.   Karl   May   hat lange   Zeit   behauptet,   dass   Winnetou   eine   reale   Person   sei,   die   Grenze   von   Phantasie   und Realität   hat   er   selbst   verwischt   und   eine   echte   Trennung   dürfte   kaum   möglich   sein.   Wissen Sie, wie Apachen heute über Winnetou denken? Jean-Marc   Birkholz:    Es   spricht   ja   nur   für   den   Autor,   wenn   er   von   der   Echtheit seiner   Figuren   überzeugt   ist.   Auf   den   Karl-May-Festtagen   im   sächsischen   Radebeul   hatte   ich einmal    eine    Begegnung    mit    einem    Lakota.    Er    mochte    die    Art,    mit    der    ich    Winnetou darstellte.   Er   fand   es   würdevoll   und   hat   sehr   gut   unterschieden   zwischen   denen,   die   nur   ein Kostüm   trugen.   Er   erklärte   mir   auch,   dass   sein   Stamm   niemals   die   Haut   einer   Schlange   im Haar   tragen   würde,   was   Winnetou   ja   tut.   Dennoch   hat   er   erkannt,   dass   Karl   May   ein Wegbereiter   für   das   Interesse   an   den   echten   Ureinwohnern   Amerikas   in   vielen   von   uns geweckt hat. Und auch er sprach respektvoll davon. Ruhrgesichter:    Pierre   Brice   wurde   seinerzeit   von   einer   Delegation   eigens   angereister Apachen    feierlich    zum    „Ehren-Häuptling“    ernannt.        Wäre    das    auch    für    Sie    eine erstrebenswerte Ehrung? Jean-Marc Birkholz:  Das ist wirklich eine große Ehre. Und er hat es auch verdient. Aber ich glaube, wer danach strebt, hat es nicht verdient. Ruhrgesichter:    Winnetou   ist   tapfer,   gerecht,   ehrlich,   friedvoll.   Karl   May   hat   stets auch    einen    erzieherischen    Anspruch    gehabt:    Braucht    die    Jugend    zeitlose    Helden    wie Winnetou? Jean-Marc   Birkholz:    Ja,   das   glaube   ich   absolut.   Wir   können   alle   nicht   perfekt   sein. Aber   das   Streben   danach,   ein   guter   Mensch   zu   sein,   würde   unsere   Welt   schon   ein   klein wenig besser machen. Ruhrgesichter:  Was können wir von Winnetou lernen? Jean-Marc   Birkholz:    Toleranz,   Gerechtigkeit,   Nächstenliebe.   Manchmal   ist   es   schwer gegen   eigene   Befindlichkeiten   anzukämpfen.   Dann   lassen   wir   uns   vom   ersten   Impuls   leiten und   zu   Dingen   hinreißen,   die   uns   später   leidtun   oder   aus   denen   es   kaum   noch   ein Entrinnen   gibt.   Winnetou   hat   immer   schon   weitergedacht.   Manchmal   könnte   man   sich fragen: „Was würde Winnetou tun?“ Ruhrgesichter:    Wie   es   sich   für   Winnetou   gehört,   sind   Sie   ein   sicherer   Reiter.   In   der Vorbereitung    auf    dieses    Interview    haben    wir    gelesen,    dass    Sie    vor    Ihrem    ersten Engagement   als   Winnetou   nicht   reiten   konnten   und   sogar   Angst   vor   Pferden   hatten.   Haben Sie   erst   für   die   Rolle   unterschrieben   und   dann   reiten   gelernt?   Wie   haben   Sie   Ihre   Angst verloren? Sieht man Sie mittlerweile auch abseits der Bühne gelegentlich auf einem Pferd? Jean-Marc   Birkholz:    Ich   habe   von   2001   -   2006   schon   einmal   Winnetou   gespielt. Damals    auf    der    Felsenbühne    Rathen    im    Elbsandsteingebirge.    Ich    hatte    damals    ein Engagement   im   Ensemble   der   Landesbühnen   Sachsen.   Eines   Tages   hieß   es,   dass   ich   für   die Rolle   Winnetou   vorgeschlagen   wurde.   Ich   wurde   für   zwei   Wochen   auf   einen   Reiterhof geschickt.   Früh   um   acht   aufs   erste   Pferd,   abends   um   acht   Feierabend.   Mir   tat   alles   weh   und ich   hatte   einen   meiner   schlimmsten   Albträume   in   dieser   Zeit.   Aber   ich   bin   nach   den   zwei Wochen   als   stolzer   Mann   und   ohne   Angst   wieder   gefahren.   Heute   liebe   ich   Reiten.   Es   gibt kaum   etwas   Vergleichbares.   Leider   bleibt   mir   im   Schauspieleralltag   kaum   Zeit,   auch   mal außerhalb der Saison aufs Pferd zu steigen. Ruhrgesichter:    Sie   wohnen   in   Minsk,   Berlin   und   während   der   Elspe   -   Spielzeit   im Sauerland. Wo kommt ein Jean-Marc Birkholz zur Ruhe? Wo und was ist Heimat? Jean-Marc   Birkholz:    Zur   Ruhe   komme   ich   am   schnellsten   im   Sauerland.   Aber   auch in   den   Städten   gibt   es   Plätze,   an   denen   ich   Ruhe   finde.   Im   Sauerland   muss   ich   nur   nicht erst danach suchen. Heimat   ist   da,   wo   ich   herkomme.   Ein   Gefühl.   Eine   kulturelle   Verbundenheit.   Eine   Prägung. Sprache. Glücklich kann ich jedoch überall sein. Ruhrgesichter:    Gibt   es   im   Sauerland   etwas,   dass   Ihnen   die   großen   Städte   nicht bieten können? Jean-Marc   Birkholz:    Ja.   Eben   die   schon   erwähnte   Ruhe.   Die   Ruhe,   die   kaum   noch andere Geräusche zulässt. Das ist ein Geschenk und reinigt die Gedanken. Unbezahlbar. Ruhrgesichter:    Dürfen   wir   uns   auch   im   nächsten   Jahr   wieder   auf   Jean-Marc   Birkholz als Winnetou freuen? Jean-Marc Birkholz:  Ja. Ruhrgesichter:    Dann   danken   wir   auch   im   Namen   unserer   Leser,   die   viele   Fragen beigesteuert    haben,    für    das    Interview.    Als    prominenter    Schauspieler    und    großartiger Winnetou   geben   Sie   sicherlich   zahlreiche   Interviews.   Gibt   es   eine   Frage,   auf   die   Sie   schon immer   mal   antworten   wollten,   die   Ihnen   jedoch   bislang   niemand   gestellt   hat?   Dann   haben Sie jetzt die Chance, wir denken uns dann nach Ihrer Antwort die passende Frage aus :-). Jean-Marc    Birkholz:     Vielen    Dank    für    die    Blumen.    Aber    ich    fand    die    Fragen großartig. Tickets & Infos Karl May Festspiele: www.elspe.de Fotos: © Elspe Festival